Bei Anlegern kam der Quartalsbericht gut an, die Aktie reagierte nachbörslich mit einem Kurssprung um rund acht Prozent. Doch auch wenn der zuletzt strauchelnde Streaming-Service seine Aktionäre mit der Aussicht auf eine Rückkehr zum Nutzerwachstum erfreute, bleiben für Konzernchef Reed Hastings viele Baustellen. Nach dem schwachen ersten Halbjahr steht bei Netflix vieles auf dem Prüfstand, auch langjährigen Traditionen. So brachte der Video-Dienst bei den jüngsten Staffeln seiner Hit-Serien "Stranger Things" und "Ozark" nicht mehr wie früher üblich alle Folgen auf einmal heraus.

Auch bei einem noch größeren Tabu hat Hastings bereits klein beigegeben: Angesichts der schwachen Entwicklung der Nutzerzahlen wird Netflix eine günstigere Version seines Streaming-Dienstes mit Werbeclips anbieten. Eigentlich hatte Hastings diese Strategie stets abgelehnt. Als Tech-Partner für die Entwicklung eines solchen Modells wählte Netflix jüngst den Software-Riesen Microsoft. Die Werbevariante soll voraussichtlich Anfang 2023 anlaufen, zunächst in "einer Handvoll von Märkten, in denen das Werbevolumen eine relevante Größe hat".

Außerdem schrieb Netflix dazu: "Wie bei den meisten unserer neuen Initiativen haben wir die Absicht, sie einzuführen, zu beobachten und zu lernen, um das Angebot schnell zu verbessern. In ein paar Jahren wird unser Werbegeschäft wahrscheinlich ganz anders aussehen als am ersten Tag. Wir hoffen, mit der Zeit ein Werbemodell zu entwickeln, das besser ist als lineare TV-Werbung, das nahtloser und relevanter für die Verbraucher und effektiver für unsere Werbepartner ist."

Netflix-Manager wichen in einem Videointerview nach Vorlage Fragen dazu aus, wie hoch aus ihrer Sicht der Anteil der Nutzer in der günstigeren Variante mit Werbung werden könnte. Co-Chef Ted Sarandos räumte zugleich ein, dass nach aktuellem Stand das Angebot die weitaus meisten, aber nicht alle Inhalte auf der Plattform umfassen könnte. Über den Rest werde mit Studios verhandelt, aber nicht alles werde verfügbar sein. 

Zudem will Netflix bald anfangen, konsequent gegen das Teilen von Passwörtern vorzugehen. Nach Schätzung des Dienstes fahren mehr als 100 Millionen Haushalte auf fremden Netflix-Abos mit. Im kommenden Jahr solle eine Lösung starten, um auch von ihnen Geld zu bekommen.

Aktuell testet Netflix unter anderem in Argentinien, Honduras und Guatemala die Möglichkeit, zusätzliche Haushalte bei einem Abo dazuzubuchen.

Damit setzte sich der Kundenschwund zwar fort, blieb aber unter dem von Netflix selbst erwarteten Minus von zwei Millionen Abo-Kunden. Insgesamt lag die Zahl der bezahlten Nutzerkonten des Videostreaming-Marktführers weltweit zur Jahreshälfte bei knapp 221 Millionen.

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