HR-Studie:
Bewerbungsmarkt: Der Spieß hat sich umgedreht
Von 1.000 Befragten lehnte die Mehrheit der Arbeitssuchenden öfter ein Jobangebot ab, als sie selber eine Absage erhielten. Sind nun die Arbeitgeber die eigentlichen Bewerber:innen geworden?
Gehören die Zeiten, in denen Arbeitgeber den Bewerbungsprozess bestimmten, endgültig der Vergangenheit an? Einer aktuellen Erhebung der Königsteiner Gruppe zufolge ja. Denn laut dem Bericht sagen nach einem Vorstellungsgespräch mittlerweile mehr Bewerber:innen den ausschreibenden Unternehmen ab als umgekehrt.
Für den Bericht "Candidate Journey" befragte das Marktforschungsinstitut Respondi im Auftrag der Gruppe 1.000 Menschen, die sich in den letzten drei Jahren in einem Bewerbungsprozess befanden zu dessen Ablauf. Der Befragungszeitraum lag im Mai 2022. Alle Teilnehmer:innen waren zum Zeitpunkt der Befragung erwerbstätig – 81 Prozent in Vollzeit, 19 Prozent in Teilzeit.
Fast die Hälfte erhielt nach dem letzten Gespräch ein Angebot - und nahm es an
Der Blick auf die Bewerbungen, in denen beide Parteien nicht zusammenfanden, zeigt: In 34 Prozent der Fälle sagten die Kandidat:innen ab, während mit 19 Prozent nur jede:r Fünfte eine Absage vom jeweiligen Arbeitgeber erhielt. Mit 47 Prozent hat fast die Hälfte aller Kandidat:innen demzufolge nach ihrem letzten Vorstellungsgespräch eine Zusage des Arbeitgebers erhalten und nahmen diese auch an.
"HR-Expert:innen sprechen schon sehr lange vom Mangel an Arbeitskräften, der zu einem Kandidatenmarkt führe, in dem sich die Selektionslogik in Richtung Bewerber:innen umkehre. Unsere Zahlen bestätigen diese Annahme nun auch datengestützt. Arbeitgeber stehen also einem Paradigmenwechsel im Bewerbungsprozess gegenüber und müssen sich verstärkt Gedanken darüber machen, wie sie sich selbst bei den Kandidat:innen bewerben. Die Zeiten, in denen sie ihr Personal ausgewählt haben, sind auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung unumkehrbar vorbei", sagt Nils Wagener, Geschäftsführer der Königsteiner Gruppe.
Hauptgründe für Absagen durch Bewerber:innen sind konkurrierende Jobangebote
Die Gründe aus denen Bewerber:innen bei einem Arbeitgeber von sich aus absagen, sind der Erhebung zufolge vielfältig. In den meisten Fällen entscheiden sie sich für das Angebot eines anderen Unternehmens. So nahmen 42 Prozent von ihnen eine Stelle an, die besser zu ihrer Persönlichkeit passte. 35 Prozent entschieden sich für einen besser bezahlten Job. Weitere 29 Prozent gaben an, eine Stelle gefunden zu haben, die fachlich besser passte. Mehrfachnennungen waren bei dieser Frage möglich. "Diese Zahlen zeigen: Bewerberinnen und Bewerber befinden sich in mehreren Gesprächen gleichzeitig, wenn sie einen Jobwechsel anstreben, und in der Regel können sie auswählen. Denn von arbeitgeberseitigen Zusagen können sie in den allermeisten Fällen ausgehen", so Nils Wagener.
Auch der Zeitpunkt der kandidatenseitigen Absagen ist unterschiedlich: 14 Prozent geben den Arbeitgebern einen Korb, nachdem diese ihnen schon ein unterschriftsreifes Angebot unterbreitet haben. Ebenfalls 14 Prozent sagen nach dem Vorstellungsgespräch, aber vor einer eventuellen Einigung ab und 6 Prozent beenden den Bewerbungsprozess noch vor dem anvisierten Vorstellungsgespräch.
Sechs von zehn jungen Bewerbern:innen werden angenommen
Interessant ist letztlich auch noch einmal der Blick auf die 47 Prozent der Kandidat:innen, die mit den Arbeitgebern zusammenkommen. Bei jungen Menschen zwischen 18 und 29 Jahren liegt dieser Anteil bei 61 Prozent, also deutlich überdurchschnittlich zur Gesamtheit aller Studienteilnehmenden. 26 Porzent von ihnen entschieden sich selbst gegen den Arbeitgeber, während die Absage nur in 13 Prozent der Fälle von Arbeitgeberseite kam. Auch finden Frauen und Arbeitgeber mit 53 Prozent öfter zusammen als männliche Bewerbende mit 41 Prozent. 39 Prozent der Männer sagen ihrerseits ab, 26 Prozent der Frauen.
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