In der Bildergalerie sehen Sie Arbeiten aus 10 Jahren Freunde des Hauses.

Was Kundenbeziehungen angeht, klingt das danach, als liefe bei einer der ersten "Customized Agencies" in Deutschland inzwischen alles so wie im Agenturgeschäft eben üblich, und das mit Erfolg.

Thore Jung: "Monokulturen sind nicht nachhaltig gesund"

Aber gegen den Trend: "Customized", was heute jeden Tag gefühlt zwei neue Werbeagenturen machen, hatte FdH quasi schon anfangs praktiziert und scheint schon längst wieder darüber hinaus zu sein.

Geschäftsführer Thore Jung stellt da gleich mal was klar: "Der Begriff 'Customized Agencies', wie wir sie heute betrachten, ist für mein Verständnis viel zu eng und es war nie das Ziel von Freunde des Hauses, uns für einen Kunden abzuschotten", sagt Jung. "Ganz im Gegenteil sind diverse Denkimpulse und unterschiedliche Herausforderungen ein wesentlicher Bestandteil von Kreativität."

Darin sehen die Freunde den Kern ihrer Arbeit. Und definieren sich so als "Committed Agency", die sich "zu 100 Prozent den Zielen des Kunden verschreibt und sich nicht zu fein ist, auch tief in den Maschinenraum zu gehen, um wirklich zu verstehen, wie er arbeitet und womit er sein Geld verdient", erläutert Thore Jung. Und obwohl das Geschäftsmodell darauf gegründet wurde, für einen Kunden der Freund des Hauses zu sein, werden das FdH-Team nun vielen gerecht. Das geht, sagt auch Boris Schmarbeck, Geschäftsführer Kreation: "Spaß an der Arbeit ist unsere größte Triebfeder. Hast du ein Umfeld, in dem dir das gelingt, gelingt dir alles."

Trotzdem hat es Folgen für die Agenturarbeit, wenn man statt eines Kunden mehrere betreut. So baute FdH zum Beispiel 2017 nach einigen Etatgewinnen die Beratung um, Geschäftsführerin Beratung Annika Thiedke machte zwei Teams daraus. Und doch: Zum Erfolgsrezept gehört es auch, die Agentur nicht zu sehr aufzublasen. Thiedke erklärt: "Wir bleiben ganz bewusst 'klein und fein'. Wachstum ist nicht unser Antrieb. Wir wollen wirklich helfen – einen Beitrag leisten und einen Unterschied machen."

Das Führungsteam ist darum in den zehn Jahren seit Gründung gewachsen: Es besteht heute neben den Geschäftsführern Thiedke, Jung und Kreationgeschäftsführer Boris Schmarbeck außerdem aus Thomas Dempewolf (Leiter Kreation), Anja Schüling (Leiterin Strategie), Christian Classen (Leiter Beratung) und Katharina Theophil (Leiterin Beratung). Sie sind in Hamburg für rund 45 Mitarbeiter verantwortlich.

Motto der Freunde des Hauses.

Motto der Freunde des Hauses.

Um das zu leisten, muss das Umfeld stimmen. Gründer und Geschäftsführer Thore Jung legt bei der Gestaltung der Räumlichkeiten großen Wert auf "Raum für gelungene Kreativität" (mehr dazu im Interview, Bilder ganz unten). Dafür hat er einen Dreipunkteplan.

  1. Raum für Kreativität ist bei Freunden des Hauses vor allem eines: geschützter Raum. Alles in der Gestaltung ist darauf ausgerichtet, jedem, der bei uns ist, das gute Gefühl zu geben, willkommen zu sein. Geborgen und beschützt, denn hier bist du unter Freunden.
  2. Der Raum darf sich nicht zu wichtig nehmen. Er hat die Aufgabe, die Aufmerksamkeit im Moment zu halten. Er soll buchstäblich den Raum dafür anbieten, etwas Neues zu schaffen. Eine Kreativwerkstatt, in der alles möglich ist. 
  3. Raum für konzentriertes Arbeiten, Ruhe, Spaß, Meetings oder fürs Kochen. Wir schaffen Räume, in denen sich jeder individuell entfalten kann und soll. Das geht unserer Erfahrung nach besser in kleineren abgetrennten Spaces als im Großraum.

Interview

Wir haben dem Geschäftsführungs-Trio anlässlich des 10. Agentur-Geburtstags ein paar Fragen gestellt.

Wie werden Sie Ihrem oben formulierten Anspruch, sich zu 100 Prozent den Zielen des Kunden zu verschreiben, angesichts der Vielzahl von Kunden gerecht?

Annika Thiedke: Wir verstehen uns als "Coach Lead Agency". Dafür haben wir uns überproportional seniorig aufgestellt, denken immer interdisziplinär und arbeiten gerne mit anderen Agenturen und Partnern zusammen. Wir wollen nicht alle Stücke vom Kuchen, wir treiben nicht jede Sau durch den Knick. Wir machen das, was wir am besten können und ziehen daraus unsere Bestätigung, Kraft und Freude.

Wie verlief die Umstellung von der "Customized" zur "Commited" Agency, zur heute breit aufgestellten Kreativagentur? Sieht ja fließend aus – was war also zuerst da, die Idee der Neuausrichtung, die neuen Kunden oder der Verlust von Lidl?

Thore Jung: Wir haben uns nicht neu ausgerichtet, nachdem wir Lidl verloren haben, wir haben uns ausgerichtet, nachdem wir Lidl gewonnen haben.
Unser Gründungskunde hat uns stark geprägt, auch durch die Weitsicht der damaligen handelnden Akteure. Wir haben uns gegenseitig in die Hand versprochen, dass FdH auf keinen Fall eine Lidl-Agentur werden darf. Den damaligen Managern war es sehr wichtig, einen Partner mit einer ehrlichen, klaren und mutigen Haltung und Meinung einzukaufen, um ihre Ziele zu erreichen, und um die bei Lidl eingeschliffenen Strukturen, Überzeugungen und Muster zu durchbrechen.

Annika Thiedke: Wir hatten bereits ein Jahr nach Gründung drei neue Kunden, unter anderem die ING-Diba, die als anonyme Direktbank nach der Finanzkrise vor schwerwiegenden Positionierungsfragen stand und mit der wir zwei Millionen Neukunden in der Zeit unserer Zusammenarbeit gewonnen haben – ohne Know-how in Finanzkommunikation, dafür aber mit viel Mut, Herz und Verstand.
Kurz danach kam die Weleda, für die wir zum ersten Mal ein Markenbild global einheitlich eingeführt haben, und das nicht nur im gestalterischen Sinne. Wir haben auch die prozessuale Infrastruktur gebaut. Das dafür notwendige Know-how kam übrigens durch unsere Arbeit mit Lidl. Sie sehen, es hängt alles zusammen.

Boris Schmarbeck: So ganz verstehe ich die Frage nicht. Klingt ja nach einer Henne-oder-Ei-Frage. Dabei ist es viel einfacher. Neue Kunden kommen ja nicht einfach so und auch nicht, nur weil man neue Kunden will. Es kamen vor allem neue Aufgaben und Herausforderungen auf uns zu, weil wir auf Lidl einfach einen geilen Job gemacht haben. Eine Marke aufgebaut, einen Imagewechsel herbeigeführt und eine Sympathieoffensive gestartet. Und das war bei Lidl damals ja wirklich ne dicke Nuss.
So eine Leistung und Energie wird natürlich auch im Markt gesehen und löst Begehrlichkeiten aus. Besser kann es eigentlich gar nicht sein. Dazu kommt noch ein wichtiger Faktor: Der Wille der Freunde, Dinge auszuprobieren, Lösungen zu finden, gestalten zu wollen … also neue, andere und vielleicht noch dickere Nüsse knacken zu können.

Wieso eigentlich endete die Zusammenarbeit mit Lidl, auf die Sie ausgerichtet waren - und wie konnte da eine Networkagentur gewinnen, die ja das Gegenteil von "customized"zu  verkörpern scheint?

Annika Thiedke: Wir sind nicht auf Lidl ausgerichtet. Wir sind ausgerichtet auf Menschen, die nach einer starken Partnerschaft suchen. Wir sind vor allem dann gut, wenn es um bedingungsloses Vertrauen und neue Wege geht, die man gemeinsam beschreitet. Wir sind gut in Veränderungsprozessen, dann spürt man am ehesten unsere Kraft, den Verstand, behutsam mit der Marke umzugehen, und den Willen, die PS auf die Straße zu kriegen: Jetzt!
Möglich, dass Lidl uns jetzt nicht mehr braucht. Dann ist es auch völlig ok, einander loszulassen.

Boris Schmarbeck: Die Frage, wie denn eine Networkagentur Lidl gewinnen konnte, kann ich gar nicht beantworten. Da sollten Sie vielleicht Lidl fragen.
Aber am Ende sind Marken, genau wie Agenturen, ja eigentlich auch nur Menschen. Was uns und unsere Kunden ausmacht, ist die Beziehung zueinander. Das Vertrauen, die Offenheit und der Wille, etwas bewegen und bewirken zu wollen. Neun Jahre mit einem Kunden in einer engen Beziehung auf Augenhöhe zu sein ist ja in unserer Branche eine halbe Ewigkeit. Und wenn sich Beziehungen zwischen Menschen, Verständnisse oder gemeinsame Ziele irgendwann verändern, ist auch eine Trennung ein ganz natürlicher Prozess. Das mag wehtun, setzt aber neue Kräfte, Blickwinkel und Energien frei.  

Wie ist der Aufbau von Know-how für und jenseits von Lidl, Weleda oder ING-Diba gelungen?

Boris Schmarbeck: Kompetenz bauen wir auf, indem wir abtauchen, ganz tief in die Marke und in die Herausforderungen. Je tiefer wir bohren, desto mehr Spaß macht es, weiterzubohren, zu verstehen, zum Kern vorzudringen und ihn freizulegen. Daraus entstehen Beziehungen. Auf diese Beziehungen muss man sich einlassen. Auf eine Direktbank, den Markt und ihr Business, genau wie auf den Begründer der Naturkosmetik, dem Nachhaltigkeit und Menschlichkeit am aller wichtigsten ist.
Die Herausforderung im Arbeitsmarkt ist es dabei, Menschen zu finden und für sich begeistern zu können, die auch diese Lust zu bohren, zu tauchen und zu gestalten haben. Das ist sicherlich die große Herausforderung der Zukunft. Aber wenn ich mich hier so umschaue, bin ich total stolz, wie gut uns das doch immer wieder gelingt.

Geschützter Raum für Kreativität ist den Agenturchefs wichtig.

Geschützter Raum für Kreativität ist den Agenturchefs wichtig.

Im Agentur-Credo ist von "echter Veränderung" die Rede. Das klingt gut, aber vage. Wie gelingt FdH das konkret?

Thore Jung: Veränderung muss man immer in den Kontext stellen. Wenn ich leidenschaftlich gerne Werbefilme mache, dann bedeutet Veränderung vielleicht schon ein neuer hervorragender Werbefilm.
Für uns ist der Kontext immer der Mensch und die Beziehung, in der er zu dem Unternehmen steht. Mit Lidl haben wir über die Jahre eine echte Veränderung bewirkt und etwas geschafft, auf das wir wahnsinnig stolz sind. Mitarbeiter, die stolz auf ihren Arbeitgeber sind. Das war 2008 undenkbar. Menschen, die sich nicht mehr schämen, bei einem Discounter zu arbeiten oder dort einzukaufen.
Bei der KfW haben wir eine Leitidee implementiert, die weit unter der Oberfläche der Kommunikation tief in die Kultur des Unternehmens wirkt und einen wichtigen Orientierungspunkt bildet.

Sind Sie jetzt die Konkurrenz der Hirschen?

Boris Schmarbeck: Kommt drauf an, wie man das Wort am Ende für sich übersetzt. Concurrere kann "aufeinanderrennen" bedeuten, also Rivalität. Das trifft es wirklich nicht. Die andere Übersetzung kann "miteinander um die Wette laufen" heißen. Das gefällt mir. Sich innerhalb des "geschützen Raumes" der Group messen und befruchten zu können, macht Spaß.

Raum spielt bei den Freunden eine große Rolle (siehe Bilder links und unten). Wie gelingt es Ihrer Raumgestaltung, die eigenen Ansprüche zu erfüllen und zugleich die Bedürfnisse der Mitarbeiter?

Boris Schmarbeck: Wir verbringen hier echt viel Zeit in unseren Räumen. Man kann den Wert einer durchdachten Gestaltung für den Output gar nicht hoch genug bewerten. Auch wenn ich persönlich eigentlich gar nicht so hohe Ansprüche an meinen Arbeitsplatz habe – ich will halt irgendwo arbeiten, bin viel in der Agentur unterwegs und gern bei meinen Kollegen in den Räumen.
Aber ich freue mich jeden Morgen, in die Agentur zu kommen. Und das auch, weil es hier so schön ist. Ich fühle mich irgendwie willkommen und bin gerne hier. Und das bekommen wir von jedem gespiegelt, der hier reinkommt. Ob Kunde, Mitarbeiter, Freelancer, Freund oder Wasserlieferant. Cool.

Thore Jung: Wir sind ja keine Maschinen, denen es egal ist, wo sie ihrer Arbeit nachgehen. Wir sind empfindsam und sensibel für unsere Umwelt. Sie beeinflusst uns permanent – bewusst, oder unbewusst. Großraumflächen, bewusste Evozierung von Stress und Spannung machen uns früher oder später krank. Führungskräfte müssen sich ernsthafte Gedanken darüber machen, wie sie nachhaltig gesunde Produktivität sicherstellen.

Was ist das Geheimnis eines perfekten Kaffees? (siehe Foto)

Annika und Boris: Keine Ahnung. Fragen Sie lieber Thore.
Thore Jung: Liebe, ganz viel Liebe und Übung – ganz viel Übung.

Hier sehen Sie, wie und wo die Freunde des Hauses arbeiten - und eine wirklich imposante Kaffeemaschine.

Eine Siebdruckmaschine für Profi-Barista haben die Freunde des Hauses - und man sieht, dass sie benutzt wird.

Eine Siebdruckmaschine für Profi-Barista haben die Freunde des Hauses - und man sieht, dass sie benutzt wird.

Raum für konzentriertes Arbeiten, Ruhe, Spaß, Meetings oder fürs Kochen: Teil von Jungs Dreipunkteplan.

Raum für konzentriertes Arbeiten, Ruhe, Spaß, Meetings oder fürs Kochen: Teil von Jungs Dreipunkteplan.

Einer der Räume, in denen die Freunde kreativ und strategisch arbeiten.

Einer der Räume, in denen die Freunde kreativ und strategisch arbeiten.


Autor: Susanne Herrmann

schreibt als freie Autorin für W&V. Die Lieblingsthemen von @DieRedakteurin reichen von abenteuerlustigen Gründern über Medien und Super Bowl bis Streaming. Marketinggeschichten und außergewöhnliche Werbekampagnen dürfen aber nicht zu kurz kommen.