Sind psychografische Profile auf Basis von Facebook-Likes Teil dieser Datensammlung?

Facebook ist eine sehr wichtige Social-Media-Plattform, über die man mit Zielgruppen in Kontakt treten kann, um Primärdaten zu erheben. Wir haben Facebook und andere Social-Media-Plattformen genutzt, um über eine Reihe von Fragebögen mehr über unsere Zielgruppen herauszufinden – zu Persönlichkeit, Konsumverhalten, Lifestyle oder politischen Einstellungen. Neben digitalen Plattformen nutzen wir auch Telefon- und Face-to-Face-Interviews.

Der Umgang mit den Facebook-Daten fliegt dem Dienstleister und der Plattform nun um die Ohren. Und stellt die Methoden der Werbebranche an den Pranger. LEAD-Kolumnist Johannes Ceh leitet aus dem Facebook-Skandal deshalb Fragen ab, die sich nun alle Akteure stellen müssen: "Was lernen wir aus dieser Angelegenheit? Als Nutzer als auch als Gestalter von Kommunikation? Oder in den Worten von Alexander Nix: 'Are we really happy with the job we did?'"

Facebook im Visier der Behörden

Die US-Verbraucherschutzbehörde Federal Trade Commission (FTC) ist jedenfalls nicht happy mit der Art und Weise, wie mit Nutzerdaten umgegangen wird, und leitete nach Informationen der "Washington Post" eine offizielle Untersuchung gegen Facebook ein. Das Unternehmen könnte demnach gegen eine Einigung mit der Behörde zum Schutz der Nutzer aus dem Jahr 2011 verstoßen haben. Sollten die Ermittlungen dies bestätigen, würde Facebook eine empfindliche Strafe drohen. Das Unternehmen verlor an der Börse seit Montag zeitweise bis zu 50 Milliarden Dollar an Unternehmenswert.

Investigativ-Recherche von Channel 4

Cambridge Analytica war am Dienstag weiter unter Druck geraten, nachdem herauskam, dass Nix vor versteckter Kamera mit Erpressungsversuchen von Wahlkandidaten geprahlt hatte. Ein Reporter des britischen Senders Channel 4 hatte sich für den Vertreter eines potenziellen reichen Kunden ausgegeben, der für den Erfolg mehrerer Kandidaten bei einer Wahl in Sri Lanka sorgen wolle.

Der Undercover-Reporter von Channel 4 hatte sich mit Nix und anderen Top-Managern von November 2017 bis Januar 2018 mehrfach in Londoner Hotels getroffen. An einer Stelle antwortete Nix dem Channel-4-Bericht zufolge auf die Frage nach der Möglichkeit, negative Informationen über politische Gegner zu beschaffen, seine Firma könne "Mädchen zum Haus des Kandidaten schicken". Ukrainerinnen seien "sehr schön, ich finde, das funktioniert sehr gut". Eine weitere Vorgehensweise sei, einem Kandidaten viel Geld für seinen Wahlkampf anzubieten, zum Beispiel mit Land als Gegenleistung - und das ganze auf Video aufzunehmen und später zu veröffentlichen.

Durchsuchungsbefehl für Zentrale

Die britische Datenschutzbehörde beantragte einen Durchsuchungsbefehl für die Londoner Zentrale von Cambridge Analytica. Die Firma habe innerhalb einer gesetzten Frist nicht auf eine Anfrage reagiert, so dass die Behörde nun gerichtlich versuche, auf den Systemen der Beratungsfirma Beweise zu sichern, wie das Information Commissioner's Office (ICO) britischen Medien zufolge mitteilte. Der Vorsitzende des britischen Parlamentsausschusses für Digitales und Medien, Damian Collins, forderte Facebook-Chef Mark Zuckerberg auf, sich Fragen von Abgeordneten zu stellen.

Das Unternehmen war am Wochenende von Facebook ausgesperrt worden. Cambridge Analytica habe unrechtmäßig erhaltene Nutzerdaten entgegen früheren Zusicherungen nicht gelöscht, erklärte das Online-Netzwerk zur Begründung. Nach Informationen der "New York Times" und des "Guardian" sollen einige Informationen von rund 50 Millionen Facebook-Mitgliedern zu Cambridge Analytica gelangt sein. Um sie zu sammeln, wurde eine Umfrage zu Persönlichkeitsmerkmalen aufgesetzt, die bei Facebook als wissenschaftliche Forschung angemeldet wurde. Die Daten gingen dann ohne Wissen der Nutzer an Cambridge Analytica. 

Sicherheitschef kritisiert Facebook

Auch bei Facebook könnte es laut "New York Times" personelle Veränderungen geben. Die Zeitung berichtete, dass der in Fachkreisen angesehene Sicherheitschef Alex Stamos Facebook verlassen wolle. Er habe sich dafür eingesetzt, offener über die russische Einmischung in den US-Präsidentenwahlkampf 2016 zu informieren, sei aber von anderen Managern abgebügelt worden, so das Blatt. Stamos habe bereits im Sommer 2016 erste Untersuchungen eingeleitet und zum November klare Hinweise auf die Einmischung aus Russland gehabt. Die Firmenführung habe jedoch damit gezögert, die Informationen öffentlich zu machen. Erst nach Untersuchungen im US-Kongress räumte das Online-Netzwerk schrittweise ein, dass 150 Millionen Nutzer von Facebook und Instagram mit politischer Propaganda aus Russland in Berührung gekommen sein dürften.

Weltweit gibt es mittlerweile Reaktionen: Das indische Informationstechnologie-Ministerium nahm die Website von Ovleno Business Intelligence vom Netz. Ovleno ist eine indische Partnerfirma von Cambridge Analytica. Indiens Justiz- und IT-Minister Ravi Shankar Prasad betonte, er könne Facebook-Chef Mark Zuckerberg vorladen, sollte es Einmischungsversuche bei indischen Wahlen geben oder Daten von Indern gestohlen werden. Ovleno zählt nach eigenen Angaben beide großen indischen Parteien - die BJP von Premierminister Narendra Modi und die früher lange regierende Kongresspartei - zu seinen Kunden. Im 1,3-Milliarden-Einwohner-Land Indien gibt es etwa 250 Millionen Facebook-Nutzer. Parlamentswahlen stehen im kommenden Jahr an. 

Wissenschaftler fühlt sich als Sündenbock 

Auch der Wissenschaftler im Zentrum des Datenskandals um Facebook und Cambridge Analytica hat sich geäußert. Er fühlt sich als Sündenbock missbraucht. Aleksandr Kogan, Dozent für Neurowissenschaft an der Universität Cambridge, sagte in einem BBC-Interview am Mittwoch. "Ehrlich, wir dachten, wir handeln vollkommen angemessen. Wir dachten, wir tun etwas völlig Normales." Sein einziger Fehler sei gewesen, nicht genug Fragen gestellt zu haben, sagte Kogan. Facebook beschuldigt den Wissenschaftler, Daten, die mithilfe einer Umfrage in dem Sozialen Netzwerk zu Forschungszwecken gesammelt wurden, unrechtmäßig an die Beratungsfirma Cambridge Analytica weitergegeben zu haben. (fs/dpa)

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Autor: W&V Redaktion

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