Ich weiß nicht, ob man die fehlende Erfahrung mit Daten komplett wettmachen kann. Wir sagen: Lernt mit den Daten, wie die Werbung der Zukunft gestaltet sein muss, damit sie die Menschen reinzieht, aber auch wirkt. Menschen haben nichts gegen Werbung, sie haben etwas gegen schlechte Werbung. Sie entscheiden viel schneller, was sie sehen und was sie nicht sehen wollen. Gerade mit dem Smartphone in der Hosentasche, wird das trainiert, weil wir alles in Sekundenschnelle parat haben.

Lassen sich ihre Erkenntnisse von Youtube überhaupt auf andere Medien übertragen?

Es gibt diesen Spruch: Vor dem Fernseher sind die Menschen wie ein Hund, vor Youtube wie eine Katze. Der Großteil der Views auf Youtube geht über das Smartphone, insofern ist es eine andere Situation als vor dem großen Bildschirm. Aber es wird auch mit immer mehr Fernsehen mit Connected TVs geguckt, wo Werbung mit einem Druck auf die Fernbedienung übersprungen werden kann. Insofern ist das, was wir jetzt erleben, nur ein Vorgeschmack auf das, was auf Marketingverantwortliche noch zukommt. Außerdem empfehle ich, Bewegtbildwerbung immer vorab auf Youtube zu testen, um datenbasiert mit der Version ins Fernsehen zu gehen, die am stärksten Zuschauer angezogen und auf die Marketingziele eingezahlt hat.

Die Kunden können, vor allem dank ihrer Smartphones, weitgehend selbst darüber bestimmen, wann, wo und wie sie sich über Produkte informieren, auf welche Weise sie einkaufen und bezahlen möchten, wie sie die Ware erhalten wollen. Wie kriegt man unter diesen Bedingungen eine vernünftige Customer Centricity hin?

Sich konsequent an den Bedürfnissen des Kunden zu orientieren haben Unternehmen schon immer gemacht, weil sie damit erfolgreich sind. Was heute als neue Ebene dazu kommt, sind große Datenmengen und Technologien wie Machine Learning. Die große Herausforderung ist zu verstehen, was die Bedürfnisse und Fragen der Kunden zu meinem Produkt und zu meinem Angebot sind, und welche Rückschlüsse ich daraus ziehen muss. Es ist für Viele immer noch nicht selbstverständlich, die Antworten auf diese Fragen in Form von Video oder Text parat zu haben, vor allem mobil. Da gibt es über alle Branchen hinweg noch viele Hausaufgaben zu machen, damit der Kunde mich an jedem Punkt der Customer Journey auch findet.

Wie sind denn aus Ihrer Sicht die Kreativagenturen aufgestellt, um diese Herausforderungen zu meistern?

Noch nicht so, wie es notwendig wäre. Es gibt einige, die sind gut aufgestellt, bei anderen ist noch viel Luft nach oben. Wenn ich als Agentur erkannt habe, dass ich jetzt eine neue Technologie wie Machine Learning oder große Datenverarbeitung brauche, dann muss ich erstmal ins Investment gehen. Der Kunde zahlt das nicht sofort, der beauftragt das nicht. Dafür müssen trotzdem die richtigen Leute eingestellt werden. Aber was ich noch viel mehr brauche ist eine Kultur des Lernens in der DNA der Agentur. Neue Tools kann man lernen. Aber ich brauche eine Offenheit gegenüber neuen Datenquellen und neuen Technologien. Diese Kultur, dieses Lernen wollen, die ist noch nicht bei allen durchgedrungen.

Wahrscheinlich fällt es Kreativen schwer, ihr Schaffen auf einmal von Daten bestimmen zu lassen. Wenn man denen sagt: Euer Konzept ist ganz wunderbar, aber unseren Daten zufolge wird es auf Youtube nicht funktionieren, ist die Begeisterung erstmal nicht so groß.

Eins muss man klarstellen: Daten ersetzen keine Kreativität. Daten sind aber der beste Freund eines Creative Director. Vor allem, wenn man sich Verhaltensdaten anguckt. Auf Youtube bekommen wir keine in einer künstlichen Laborsituation abgefragten Einstellungen zur Marke. Wir messen echtes Nutzerverhalten. Wenn man damit arbeitet, wird sich gute Kreation immer durchsetzen. Sobald wir zeigen können: Hey, du siehst hier genau was den Leuten an deiner Kreation gefällt, ist der Damm gebrochen. Und das führt dann auch zum Erfolg, weil die Expertise im gesamten Unternehmen wächst und die Werbung insgesamt effektiver wird. Und das ist schlussendlich immer das gemeinsame Ziel, sowohl von Kreativagenturen als auch von Google.

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Autor: Moritz Meyer

Moritz Meyer (Jg. 1981) schreibt hauptsächlich über Online-Video und den digitalen Wandel. Er war schon so häufig im Internet, dass er aus Versehen mal in einem Video von Y-Titty gelandet ist. Wenn er nicht auf Burgen lebt, trifft man ihn meist in Köln. Fun Fact: Liest immer noch Comics von den Teenage Mutant Ninja Turtles.