Wo liegen die Vorteile gegenüber bisherigen Modellen?

Kunden können die Bonuspunkte, sprich Token, auch untereinander handeln. Je größer das Netzwerk, desto größer ist dabei natürlich der Nutzen, den die Kunden haben. Ich sehe vor allem eine qualitative Veränderung: Der Kunde kann die Verwendung seiner Tokens stärker beeinflussen als bei klassischen Kundenbindungsprogrammen. Die Kunden sind aktiver und nicht mehr nur bloße Datenquellen für einige wenige Konzerne, die diese Informationen bündeln und zu ihrem alleinigen Vorteil nutzen.

Aber erst die  Praxis wird zeigen, wie Unternehmen und Kunden mit diesen neuen Möglichkeiten umgehen. Ob das Unternehmen ABC beispielsweise auf die Informationen verzichten möchte, die ihnen ein Loyalty-Programm über seine Kunden gibt, und ein völlig anonymes Krypto-Belohnungsprogramm verwendet oder ob es einen Token entwirft, der Auskunft darüber gibt, wie er verwendet wird, bleibt abzuwarten. Kunden müssten dann über diese Eingriffe in ihre Privatsphäre informiert werden. Durch maßgeschneiderte Angebote und andere Anreize würden sie im Gegenzug quasi "entschädigt". Die Technologie erlaubt beide Wege, aber der Markt wird entscheiden. Zentraler Faktor ist letzten Endes aber, dass ein solches System inhärent offen, transparent und unveränderlich ist – ganz im Gegensatz zu den proprietären Belohnungs- und Treueprogrammen, wie wir sie bislang kennen.

Wie sehen Ihre Erfahrungen bisher aus?

OST ist letztes Jahr unter dem Namen Simple Token gestartet, sodass das Projekt noch in der Anfangsphase steckt. Nach dem öffentlichen ICO (Initial Coin Offering) werden aktuell erste Anwendungsfälle mit Partnern und Kunden umgesetzt. Ein Partner der ersten Stunde ist zum Beispiel Pepo. Tausende von Menschen nutzen die Plattform täglich, um Insider-Tipps zu lokalen Hot-Spots und Reisezielen auszutauschen. Jedes Mal, wenn ein Tipp geliked wird, sollen Pepo-Token von einem Benutzer auf einen anderen übertragen werden, als Dankeschön für den Tipp. Nutzer können den Token dann wiederum für Dienstleistungen wie Reiseberatung, personalisierte Reiserouten und Touren ausgeben.

Gushcloud, Asiens führendes Influencer-Marketing- und Entertainment-Netzwerk, hingegen experimentiert mit der Tokenisierung in den Bereichen Belohnung und Incentivierung von Online-Marketing sowie Micro-Payments.

Ein Gaming-Kunde möchte neue Spielmethoden entwickeln. Durch den Aufbau eines Spiels, das eine Token-Wirtschaft auf OST-Basis hat, sollen Spieler Token verdienen, die sie für andere Anwendungen im Netzwerk, das aus OST-Partnern besteht, ausgeben können. Wie der Erfolg der jeweiligen Einsatzfelder einzuordnen ist, wird die Zukunft zeigen. Da den Verwendungen der Blockchain an diesem Punkt nur durch die eigene Phantasie Grenzen gesetzt werden, ist dies aber eine sehr spannende und herausfordernde Zeit.

Ist Blockchain nicht furchtbar kompliziert für den Durchschnittskunden?

Das Ziel ist eine deutliche Reduktion der bisherigen Komplexität. Unternehmen sollen ihre eigenen Token (Branded Token) erstellen können, ohne dass sie Blockchain-Entwickler einstellen oder komplexe ICOs zur Schaffung der Token inklusive all der regulatorischen Fragen durchführen müssen. Natürlich werden immer noch Entwickler gebraucht. Aber diese Entwickler müssen keine ausgewiesenen Blockchain-Experten sein. Ohne viel Vorwissen können sie Branded Token sehr einfach generieren und mit einer Software-Suite, die die Funktionalität und Flexibilität noch weiter verbessert, die Token-Ökosysteme ohne viel Aufwand verwalten.

Für wen könnte sich das überhaupt lohnen?

Jedes Unternehmen, das sich im B2C-Umfeld bewegt, kann die Schnittstellen zu seinen Kunden mit der Blockchain-Technologie verändern und dabei zusätzliche Mehrwerte schaffen. Gerade Consumer-Unternehmen brauchen stets neue Mittel für Engagement und Wachstum und müssen etablierte Betreiber mit Innovationen herausfordern. Differenzierung ist entscheidend, um im globalen Wettbewerb zu bestehen. Ganz besonders lohnt sich die Lösung für alle Unternehmen, die nicht die technischen, finanziellen und rechtlichen Ressourcen haben, das Thema Blockchain für sich alleine umzusetzen. 

Was empfehlen Sie als ersten Schritt?

Am Anfang steht die Überlegung, welcher Teil des Geschäfts oder welche Schnittstelle zum Kunden sich eignet, um sie in eine Blockchain zu übertragen. Das heißt, es will sorgfältig analysiert und durchdacht sein, welcher Aspekt des eigenen Geschäfts sich am besten anbietet. Auf Biegen und Brechen etwas umzusetzen, das am Ende keinen wirklichen Mehrwert bietet, bloß um zwanghaft etwas mit der Blockchain-Technologie zu machen, soll nicht das Ziel sein. Damit steht aber auch fest, dass der erste Schritt, nämlich sich mit der Idee auseinanderzusetzen und sich für eine geeignete Anwendung zu entscheiden, wohl der schwerste ist.

Jason Goldberg ist Gründer und CEO von OST (vormals Simple Token), der Brücke zwischen Krypto-Währungen und Mainstream-Consumer-Apps. Davor gründete Goldberg bereits Unternehmen wie Pepo, Hem.com, Fab.com, Social Median und Jobster. Dabei baute er auf Erfahrungen als Leiter von Strategie- und Produktteams bei T-Mobile und AOL. Goldberg hat einen MBA-Abschluss der Stanford University und ist in Berlin, Pune (Indien) und Hongkong anzutreffen.

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Annette Mattgey, Redakteurin
Autor: Annette Mattgey

Seit 2000 im Verlag, ist Annette Mattgey (fast) nichts fremd aus der Marketing- und Online-Ecke. Als Head of Current Content sorgt sie für aktuelle Geschichten, Kommentare und Kampagnen auf wuv.de. Außerdem verantwortet sie das Themengebiet People & Skills.


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