Warum?

Sie hatte die Chance, Seehofer zu entlassen und hat sie nicht genutzt. Nun hatte sie die Chance, Maaßen zu entlassen und duldet stattdessen, dass Seehofer ihn befördert.

Allerdings war Frau Nahles auch nicht besser. Sie hat es akzeptiert. Also ein indirektes Führungsversagen. Insgesamt eine ziemliche Trümmertruppe.

Es ist nicht leicht, einen Parteivorsitzenden als Minister zu entlassen. Das ist das Ende jeder Koalition.

Na ja, am Ende arbeitet dieses gesamte Team für den Kunden. Den Bürger. Und der Job sollte nach bestem Wissen und Gewissen erledigt werden. So wie es jetzt läuft, ist der Bruch der Koalition nicht der schlimmste Weg. Aktuell sehen wir nämlich nur Machterhalt um jeden Preis.

Du kennst die Strukturen in Unternehmen und du kennst als frühere Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete auch den politischen Betrieb. Welche Unterschiede gibt es?

Erst einmal ein paar Gemeinsamkeiten: Da wäre vor allem das Thema Verantwortung. Unternehmer tragen die Verantwortung für ihre Mitarbeiter, Politiker für die ganze Nation. Dann sollten beide vom Kunden aus denken. Wenn ich nicht für die Bürger regiere, werde ich abgewählt. Wenn ich meine Produkte nicht am Kunden ausrichte, werden meine Produkte nicht gekauft. Ein wesentlicher Unterschied ist: Eine Regierung wird nur alle 4 Jahre zum Umdenken gezwungen - wenn Wahlen anstehen. Der Unternehmer bekommt permanent Feedback vom Kunden und auch von den Mitarbeitern. Er ist gezwungen, sich damit zu beschäftigen und auf neue Anforderungen zu reagieren, sonst ist seine Firma nicht lange am Markt. Ein Politiker kann mitten in der Legislaturperiode munter weiter regieren und ein Jahr vor der Wahl alles mit ein paar Versprechen für das nächste Mal fixen.

Personalentwicklung und Teamplay sind in der Wirtschaft große Themen. Wie sieht das in der Politik aus?

Personalentwicklung wird in der Politik ja gar nicht betrieben. Da sägt jeder am Stuhl des Anderen und Unterstützung findet man nur, wenn es jemandem nutzt. Wahre Freundschaften oder auch nur ehrliche Bündnisse gibt es hier selten. Beim Thema Teamplay muss ich den besten und wahrsten Satz zitieren, den ich über Politik kenne: Freund, Feind, Parteifreund. Teamplay in den eigenen Reihen gibt es nur, wenn es den eigenen Zielen nicht im Weg steht. Es wird leider nur sehr selten an ein höheres Ziel gedacht. Wahrscheinlich würde mehr Zusammenhalt entstehen, wenn man die Parteien auflöst und sich nach "Interessen" oder "Lagern" zusammenschließt. Beim Thema "Herdprämie" bin ich zum Beispiel bei Abstimmungen immer zu Katharina Fegebank von den Grünen geflüchtet und habe - unbeobachtet - mit den Grünen gestimmt, weil ich die "Herdprämie" einfach Quatsch fand. Parteiübergreifend gibt es immer Leute, die sich für ein gemeinsames Ziel einsetzen würden. Sie werden dann aber von ihrer Partei gezwungen, dagegen zu stimmen, nur, weil es eine Idee des politischen Gegners war.

Das klingt, als wäre es in Unternehmen grundsätzlich anders. Viele Marken und Medien sind aber aus ähnlichen Gründen an die Wand gefahren worden: Ignoranz, Egoismus, Opportunismus, Eitelkeit, kurzfristige Denke und der Druck, irgendeine "Story" zu erzählen.

Ja, in Unternehmen gibt es so etwas natürlich auch. Zumindest in den Konzernen. Wenn es anders wäre, könnten Startups gar nicht so schnell eine Industrie disrupten. Die Behäbigkeit und der teilweise Stillstand in den Konzernen kommt durch zu viele Abstimmungsschleifen mit zu vielen Leuten, die mitreden wollen. In manchen großen Organisationen wird auch gerne mal aus rein persönlichen Motiven politisiert und intrigiert. Das kann man menschlich finden, aber es hilft nicht weiter.

Wie bricht man so ein System auf?

Mit ganz viel Mut. Wenn man keine Angst um den eigenen Job hat, kann man ein System verändern. Man muss aber auch wissen, wie man Menschen begeistert und mitreißt, denn alleine hat noch keiner eine Revolution geschafft. Ich würde mir Vorstandschefs oder Parteivorsitzende wünschen, die ihr Amt bewusst auf 4 oder 5 Jahre begrenzen. Sie könnten dann viele Veränderungen schaffen ohne auf ihre Wiederwahl oder ihre Vertragsverlängerung zu schielen. Amerikaner nennen es "cover my ass policy".

Über Katharina Wolff: Die Gründerin und Geschäftsführerin von D-Level vermittelt digitale Führungskräfte und berät Unternehmen in allen Dingen, die damit zusammenhängen: Strategie, Organisation und Transformation. In ihrer Heimatstadt Hamburg ist Wolff auch politisch hervorgetreten: 2011 bis 2015 war sie Mitglied des Landesparlaments. 2018 startete sie den Podcast "Inside Team Building".