UK-Lokalzeitungsmarkt:
"Kein tragfähiges Modell für digitalen Lokaljournalismus"
Der Verlag Newsquest will lokalen Online-Content nicht länger gratis anbieten. Doch die kriselnden britischen Lokalblätter tun sich extrem schwer bei der Einführung von nachhaltigen Bezahlmodellen.
Der britische Verlag Newsquest, nach Reach der zweitgrößte Herausgeber von Lokalzeitungen im Vereinigten Königreich, will auf den größeren Websites seiner Tageszeitungen eine Paywall launchen. Damit ist Newsquest der erste große Lokalzeitungsverlag in Großbritannien, der sich – zumindest in Ansätzen – für kostenpflichtige Inhalte auf lokalen Sites entschieden hat.
Nach "ermutigenden Ergebnissen" mit Tests einer sogenannten Metered Paywall bei einigen kleineren Websites wie dem Northern Echo in Darlington oder dem Herald in Glasgow wurden inzwischen Zahlschranken bei weiteren 20 Lokaltiteln gesenkt, so unter anderem beim Brighton Argus und der Oxford Mail sowie bei Wochenblättern wie der Hereford Times, dem Watford Observer oder dem Warrington Guardian.
Die Konditionen bei dieser Bezahlstrategie sind allerdings äußerst moderat. So kostet das Digital-Abonnement lediglich ein Pfund pro Woche oder 52 Pfund pro Jahr. 20 Artikel pro Monat bleiben für alle Nicht-Abonnenten weiterhin kostenlos. Danach müssen sie sich lediglich registrieren, um weitere 20 Artikel gratis lesen zu können. Erst dann senkt sich die Zahlschranke. Breaking News und sämtliche Berichte zum Thema Corona bleiben ebenfalls kostenlos.
Das neue Bezahlmodell von Newsquest sei eine Reaktion auf die sinkenden Werbeerlöse des Verlags sowie auf den Einbruch bei den Vertriebserlösen infolge der Coronakrise, heißt es in einer Verlagsmitteilung. Zugleich ist es Teil der neuen Verlagsstrategie unter dem Motto "We’re There With You – Please Be There With Us". Dabei werden während der bestehenden Ausgangsbeschränkungen auch die Print-Ausgaben der Lokaltitel ohne zusätzliche Gebühren nach Hause geliefert.
Desaströser Niedergang
Newsquest mit Hauptsitz in London, ein Tochterunternehmen des amerikanischen Medienkonzerns Gannett, gibt rund 165 lokale Tages- und Wochenzeitungen heraus. Doch der Lokalzeitungsmarkt in Großbritannien erlebt seit Jahren einen desaströsen Niedergang. Nur sieben der lokalen britischen Tageszeitungen überspringen überhaupt noch die Marke von mindestens 30.000 verkauften Exemplaren (W&V Online berichtete). Während die Print-Ausgaben damit für die Verlage rapide an Bedeutung verlieren, investieren sie kräftig in ihre Websites. Denn die erreichen teilweise enorme Nutzerzahlen.
Doch mit Pay-Modellen für Online-Content tun sich sämtliche Verlage schwer. Reach, der größte britische Lokalzeitungsverlag mit über 200 Lokal- und Regionalblättern, hat erst vor Kurzem einen Test mit Micro-Zahlungen bei einer seiner lokalen Websites eingestellt. Und der Verlag Archant mit Sitz in Norwich, Herausgeber von mehr als 50 lokalen Tages- und Wochenzeitungen, hat infolge der Coronakrise die Nutzer seiner Websites jetzt um Spenden gebeten.
"Wie Sie wissen, sind wir – genau wie alle anderen in der Branche – weit davon entfernt, ein tragfähiges Modell für digitalen Lokaljournalismus zu haben", schrieb Matt Kelly, Chief Content Officer bei Archant, vor wenigen Wochen in einer Mail an die Mitarbeiter. "Dies ist aber etwas, das wir brauchen, um überhaupt weiter im Geschäft zu bleiben – gerade, wenn unsere Print-Titel aufhören, profitabel zu sein."