Media Entscheider Radar 2018:
Riesige Probleme beim digitalen Umbau des Marketings
Werbungtreibende greifen beim digitalen Umbau zunehmend auf die integrierte strategische Beratung von unabhängigen Beratungsunternehmen zu.
Wie sehen sich die werbungtreibenden Unternehmen für die digitale Ära gerüstet, welche Gesamtstrategie haben sie und wo sind ihre größten Baustellen bei der Umstellung des Marketings auf eine datenbasierte Kundenansprache? Diesen Fragen ist die Münchner Unternehmensberatung Brain Consulting in ihrem Media Entscheider Radar 2018 nachgegangen.
Die Umfrage unter 100 Marketing- und Mediaentscheidern aus acht werberelevanten Branchen (u.a. Automobil, FCMG, Pharma, Finanzdienstleistungen, Telekommunkation) war 2016 zum ersten Mal erschienen und hatte Beratungs-Defizite der Mediaagenturen im Digitalbereich erstmals systematisch belegt.
Die digitale Baustelle im Reality-Check
Bevor es in die Details geht, hier der ernüchternde Basis-Befund über den Stand der digitalen Transformation in den Unternehmen selbst: Die überwiegende Mehrzahl der Befragten (68 Prozent) sieht Probleme bei der digitalen Ausrichtung ihrer Unternehmensstruktur. Unklare Verantwortlichkeiten (40,6 Prozent), Fehlen eines integrierten Daten-Managements (31,7 Prozent), mangelnde bereichsübergreifende Ziele und Visionen (23,8 Prozent) und "Silostrukturen" (21,8 Prozent) sind die größten Schwachstellen auf dem Weg in die digitale Marketing-Ära.
Daten & Technologie: Trend zum Inhousing
Auf Basis dieser Diagnose entwickeln sich zwei übergreifende Trends: Immer mehr Unternehmen stellen sich inzwischen der strategischen Frage, welche Marketingaufgaben sie zukünftig lieber im eigenen Haus erledigen wollen statt sie an Mediaagenturen zu delegieren ("Make or Buy"). Und: Sie haben dabei einen riesigen Bedarf nach unabhängiger und integrierter Beratung.
Jedes dritte Unternehmen will Technologie und Daten-Management stärker ins eigene Haus verlagern - entweder komplett (29 Prozent) oder - wie die überwiegende Mehrheit (59 Prozent) - wenigstens zum Teil (Die Tech- und Datenplattform wird im Unternehmen aufgebaut, die Agentur bekommt einen Zugang, um die Kampagnen zu steuern). Dabei geht es den werbungtreibenden Unternehmen um die Kontrolle über ihre Daten aber auch um mehr Effizienz. Vor allem die programmatischen Tradingdesks der großen Media-Networks (jedenfalls die der ersten Generation) gelten noch als Hort versteckter Wertschöpfungsketten auf Agenturseite, die Unternehmen aushebeln wollen.
Unabhängige, integrierte Beratung im Trend
Dass die Media-Agenturen es zu lange als ihr gutes Recht ansahen, als Händler von Media-Inventar mit eigenen Geschäftsinteressen (Stichwort "eigene Wirtschaftsstufe") aufzutreten, fällt ihnen bei der Metamorphose zu unabhängigen Beratern für das digitale Zeitalter auf die Füße - man unterstellt ihnen (nicht immer zu Recht) mangelnde Neutralität. Immerhin: 72 Prozent der Befragten (vorher 56 Prozent) sind mit ihrer Mediaagentur inzwischen "eher zufrieden". Das gilt allerdings vor allem im Hinblick auf die Medialeistung. Verbesserungsbedarf sehen die Werbekunden, sobald es um strategische Beratung, integrierte Lösungen und Daten-Management geht.
In diese Lücke sind inzwischen die Unternehmensberatungen gestoßen. Das wird zunehmend zum Problem für die Mediaagenturen: 39 Prozent der Unternehmen geben an, aktuell bereits mit einer auf Media oder Digital spezialisierten unabhängigen Unternehmensberatung zusammenzuarbeiten, weitere 44 Prozent können sich eine solche Zusammenarbeit vorstellen, um die komplexen Probleme zu lösen. Ein Blick auf die Umfrage 2016 zeigt, wie rasant der Beratungsbedarf gestiegen ist: Damals nahmen nur zwei Prozent der Befragten externe Berater-Hilfe in Anspruch.
Hier gibt es alle Ergebnisse der Studie im Download.
"Beratungsunternehmen, die Werbungtreibende sowohl bei einer integrierten Digitalstrategie unterstützen als auch bei der Umsetzung in den einzelnen Teildisziplinen, werden an Bedeutung gewinnen", sagt Studienautor Oliver Mohr, Geschäftsführer von Brain Consulting.
Brain Consulting selbst ist einer der jüngeren Belege dafür, wie Media-Networks versuchen, unabhängige Beratungsqualität aufzubauen: Anfang März hatte die Omnicom Media Group die Brain Group übernommen.
Es ist noch offen, wer den Spagat zwischen der ganzheitlichen Strategieberatung für den digitalen Umbau und dem extrem kleinteiligen operativen Mediageschäft am besten schafft und damit das Rennen macht - die immer noch bullenstarken Media-Networks, die sich von ihrem alten Geschäftsmodell schmerzhaft lösen müssen, oder integrierte digitale Consulting-Dienstleister wie Accenture, die im Agenturgeschäft zukaufen und als eine Art WPP 2.0 gelten. Jetzt hat Accenture sogar eine Abteilung für Programmatic Advertising geschaffen und steigt damit ins Mediageschäft ein.
Brain Consulting wird den Media Entscheider Radar auch als Teil der Omnicom Media Group-Familie weiterführen.