Stereotypische Werbung:
Guerilla-Kampagne geht nach hinten los: Unilever stoppt PR-Aktion
Nachdem eine Kampagne für die Unilever-Marke Royco wochenlang stereotypische Geschlechterrollen bedient und eine Menge mediale Aufmerksamkeit bekommt, stellt der Konzern sie endlich ein.
Mehr "Kameeza" fordern Frauen in Ugandas Hauptstadt Kampala im April. Dieses Taschen- oder Haushaltsgeld bekommen Frauen in dem afrikanischen Land von ihren Ehemännern, um sich auch mal ewas zu gönnen. Natürlich nur, wenn sie gute Ehefrauen sind, sich kümmern und lecker kochen. Das scheint nicht mehr gegeben zu sein: Die demonstrierenden Frauen beklagen, dass ihre Männer nicht mehr zu Hause essen.
Was auf den ersten Blick nach einer Frauenrechtsdemo aussieht, ist in Wahrheit Teil einer groß angelegten Guerilla-Werbekampagne des Konsumgüter-Konzerns Unilever. Das haben Recherchen des Spiegel ergeben: Über mehrere Tage wurde eine Frauenbewegung vorgetäuscht und sexistische Stereotype bedient, um Werbung für die Marke Royco zu machen, ein in Afrika verbreitetes Aromapulver.
Groß angelegte Inszenierung
An der Guerilla-Aktion sollen auch Polizisten beteiligt gewesen sein, die die vermeintlichen Aktivistinnen festgenommen hatten - alles abgesprochen natürlich, für möglichst viel Aufmerksamkeit. Zahlreiche ugandische Medien berichteten über die Demonstration. Unter dem Hashtag #getmorefromyourhusband ging das Thema viral. Man sprach offen über die Erhöhung des Hausfrauen-Geldes.
Ein paar Tage nach der inszenierten Aktion organisieren die angeblichen Demonstrantinnen eine "Frauenkonferenz", bei der dann das Geheimnis einer funktionierenden Ehe verraten werden soll: Enthüllt wird eine eine überdimensionierte Dose Royco:
Im ugandischen Fernsehen wird live darüber berichtet, Kommentare auf Twitter lauten:
"Frauen sollten lernen, zu kochen. Macht Royco in euer Essen. Ihr werdet euch nicht mehr darüber beschweren, dass euer Ehemann nicht mehr nach Hause kommt." Oder "Liebe Frauen, wenn ihr uns wirklich zu Hause sehen wollt, dann respektiert uns, lasst uns in Ruhe und kocht uns ein gutes Essen", appelliert ein Mann.
Klischees führen zu häuslicher Gewalt
Frauenrechtlerinnen stellen sich bei einer solchen Aktion die Haare auf. Das werfe das Land um Jahre zurück. Man brauche keine Stereotypen, davon gebe es genug in Uganda. Lydia Ndagire kommt auch im Spiegel-Bericht zu Wort. Sie leitet die "Resilient Women Organization", die sich für Frauenrechte in Uganda einsetzt: "Von Frauen wird erwartet, Geld von ihren Männern zu erbetteln, statt selbst arbeiten zu gehen. Und Unilever will mit diesen Stereotypen auch noch dreckige Geschäfte machen." Zahlreiche körperliche Übergriffe gegen Frauen in Uganda nähmen ihren Ursprung in Auseinandersetzungen um Essen, weiß die Feministin Atuki Turner, deren Organisation Mifumi sich um Opfer häuslicher Gewalt kümmert. Mehr Anlass brauche es nicht, um zuzuschlagen. "Die Werbekampagne stärkt den Tätern nun den Rücken. Unilever sollte sich schämen und das sofort stoppen", fordert sie.
Nach einer schriftlichen Anfrage des Spiegel versucht sich der Konzern herauszureden. Man werde die Kampagne sofort beenden. Bereits früher ist der Konzern mit veralteten Rollenklischees aufgefallen. Die in Uganda übertrifft die meisten. Dabei hatte der Konzern bereits früher erklärt, auf sexistische Stereotype in Werbekampagnen zu verzichten. 2017 fand während des Cannes-Lions-Festivals das erste offizielle Treffen der weltweiten Unstereotype Alliance der Frauen von den United Nations statt. Das Ziel: Geschlechterstereotype aus der Werbung verbannen. Knapp 25 Unternehmen, darunter auch Unilever, beschlossen, die Frauenvereinigung zu unterstützen.
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