Der Kinder-Klassiker «Unser Sandmännchen» erhält nach Angaben des Grimme-Instituts indes zum ersten Mal die begehrte Trophäe. Die Auszeichnung gehe an Stefan Schomerus (Buch/Regie) sowie Tine Kluth (Animation) für eine RBB-Produktion, die im Juni 2022 zum ersten Mal im Kinderkanal (KiKA) ausgestrahlt worden sei. Der Sandmännchen-Film behandelt ein sogenanntes Recycling-Fahrzeug - aus gebrauchten und defekten Dingen entsteht darin auf Knopfdruck etwas Neues.

«Besonders gelungen findet die Jury die Modernisierung der Animation und die Beschäftigung mit dem wichtigen Thema Nachhaltigkeit, das hier - wie immer ohne Worte - kindlich begreifbar gemacht wird», hieß es in der Begründung. Der Sandmann, der abendlich Kinder über das Fernsehen in die Schlafenszeit begleitet, ist schon mehr als 60 Jahre alt - 1959 wurde «Unser Sandmännchen» erstmals im DDR-Fernsehen ausgestrahlt. Der kleine Mann ist Deutschlands dienstälteste Kinderfernsehen-Figur und hat den Sandmann aus dem Westen überlebt.

Insgesamt wurden am Dienstag in Köln 16 Grimme-Preise sowie drei Sonderpreise bekannt gegeben. Die Auszeichnungen sind zwar nicht mit Geld verbunden, gelten unter Fernsehleuten aber als hochrenommiert.

Seit 1964 werden sie jährlich verliehen. Übergeben werden die Trophäen in diesem Jahr am 21. April in Marl.

Besonders gut schneidet 2023 das ZDF ab. Neben Böhmermann konnten zum Beispiel auch die Serie «Neuland» und der Film «Die Wannseekonferenz» überzeugen, der das Treffen zeigt, auf dem die Nationalsozialisten die mörderische «Endlösung der Judenfrage» beschlossen. Auch das Drama «Im Feuer - Zwei Schwestern» bekam einen Grimme-Preis zugeteilt. Es begleitet eine junge Bundeswehrsoldatin auf der Suche nach ihrer im Irak vermissten Schwester.

Gute Nachrichten nach krisenhaften Zeiten gab es zudem für den Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). Mit dem Preis für die «besondere journalistische Leistung» zeichnete die Grimme-Jury die Redaktion des RBB-Politmagazins «Kontraste» aus. Gewürdigt wurden ihre «kontinuierlichen investigativen Recherchen zu Randthemen des Rechtsradikalismus».

Auch mehrere Dokumentationen konnten Grimme-Preise ergattern - darunter «Atomkraft Forever» (SWR/NDR) und «Die Story im Ersten: Leben nach Butscha - Trauma und Hoffnung» (WDR)

Schon bei den Nominierungen für den Grimme-Preis - in diesem Jahr waren 71 Produktionen und Einzelleistungen ins Rennen gegangen - hatte sich abgezeichnet, dass das Thema Vielfalt in der Gesellschaft ein prägendes für den diesjährigen Grimme-Jahrgang werden könnte. Zum Teil bewahrheitete sich das auch. Mehrere Formate aus diesem Spektrum konnten sich am Dienstag über eine Auszeichnung freuen.

Eine Auszeichnung wurde zum Beispiel an das Format «Queer Eye Germany» des Streamingdienstes Netflix vergeben, in dem queere Lifestyle-Experten das Leben ihrer Kandidaten zum Positiven verändern wollen. «Echte Empathie und Sensibilität im Ausdruck sind ein seltenes Gut auf dem Gebiet des Reality-Fernsehens», würdigte die Jury die Show. Einen weiteren Preis bekam Netflix für die Serie «KLEO» mit Schauspielerin Jella Haase zugesprochen.

Tim Mälzer und Vox: Zwei Preise für inklusives TV-Format

Ebenfalls bedacht wurde das Vox-Format «Zum Schwarzwälder Hirsch - eine außergewöhnliche Küchencrew und Tim Mälzer». In der Sendung macht TV-Koch Tim Mälzer Menschen mit Trisomie 21 fit für den Restaurant-Betrieb. Das Format gewann nicht nur einen Grimme-Preis, sondern auch den sogenannten Publikumspreis.

Aus der Begründung der Jury: "'Zum Schwarzwälder Hirsch' ist eine Produktion, die in vielerlei Hinsicht herausragend ist. Die Show geht sensibel mit ihren Protagonist:innen um. Sie ist spannend erzählt, kreativ in ihren Mitteln. Aber besonders bemerkenswert ist ihr kritischer Anspruch. […] Insgesamt ist [es] eine einzigartige Produktion, die einfühl- und unterhaltsam zeigt, wie Inklusion gelebt werden kann. Damit ist sie ein wichtiger Beitrag zur Debatte über Behinderung und Teilhabe in unserer Gesellschaft."

Vox-Chefredakteur und Unterhaltungschef Marcel Amruschkewitz: "Vox steht für Unterhaltung mit Herz und Haltung – und 'Zum Schwarzwälder Hirsch' verbindet beides auf besondere Art und Weise. Unsere 13 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben nicht nur alle Herzen erobert, sie haben sich auch – zusammen mit Tim Mälzer, André Dietz und der Restaurant-Crew – auf das Inklusions-Experiment eingelassen und sind dabei über sich hinausgewachsen. Dieser Grimme-Preis ist eine tolle Wertschätzung für ihren Mut und natürlich auch für die überragende Arbeit von Vitamedia, die dieses besondere Projekt mit unserem Redaktionsteam umgesetzt hat."

Schauspieler André Dietz, der in der Sendung als Mentor agiert, nahm die Auszeichnung als Anlass, die Politik zu adressieren. "Ich selbst habe ja eben eine Tochter mit Behinderung und weiß, wie sehr Inklusion eine Illusion ist», sagte er in Köln. «Wie sehr das eben nicht funktioniert."

Sascha Gröhl, Produzent und Regisseur des Schwarzwälder Hirschen: "Wir alle haben irgendwann diese besondere Magie gespürt, die vor Ort mit allen Beteiligten entstanden ist. Wir haben gefühlt, dass dieses Projekt etwas einzigartig Wertvolles und vor allem Nachhaltiges werden könnte: 13 Menschen, die uns und der ganzen Welt gezeigt haben, dass sie alles schaffen können – wenn man ihnen Vertrauen und eine Chance schenkt. Wenn man Inklusion wirklich ernst meint und Rahmenbedingungen schafft, die echte Teilhabe ermöglichen. Um es mit den Worten von Teilnehmerin Ayla-Marie zu sagen: 'Jeder Mensch hat es verdient, arbeiten zu dürfen – und wir auch!'"

Besondere Ehrung für Maren Kroymann

Die sogenannte besondere Ehrung im Rahmen des Grimme-Preises geht 2023 unterdessen an Kabarettistin und Schauspielerin Maren Kroymann.

Mit ihrem Schaffen und Wirken stehe die 73-Jährige «für die kraftvolle Vielfalt weiblicher Identitäten im Deutschen Fernsehen», hieß es zur Begründung. «Dabei hat sie die Hürden und Entwertungen der traditionell männlich geprägten Fernsehkultur durchleben müssen, wovon sie sich aber nicht hat entmutigen lassen, im Gegenteil.»

Bei der besonderen Ehrung im Rahmen des Grimme-Preises handelt es sich um eine spezielle Auszeichnung, die der Deutsche Volkshochschul-Verband (DVV) - der Stifter des Grimme-Preises - verleiht. Laut Statut wird sie Persönlichkeiten zugesprochen, die sich in herausragender Weise um das Fernsehen verdient gemacht haben.

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