Shanghai Corona Days:
Back to the Office: Der neue Büroalltag in China
Stefan Justl von Storymaker China hat 45 Tage Corona-Schockstarre in Shanghai hinter sich. In Teil 10 seiner exklusiven Kolumne erzählt er, wie das Zurückkehren zur neuen Büronormalität in China funktioniert.
Heute stand in meinem Kalender ein schon im Dezember festgelegter Kundentermin, wo wir gemeinsam eine Location für eine Konferenz besichtigen wollten. Das Event muss ausfallen. Also sitze ich wieder den ganzen Tag im Büro. Gemeinsam mit den Kollegen und Koleginnen; seit 9. März sind wir alle wieder hier. Manche Unternehmen, auch deutsche Institutionen, durften bereits vor Mitte Februar wieder öffnen und kamen gruppenweise rollierend zur Arbeit. Vor Corona war es normal, dass ich mehr als 50 Prozent meiner Arbeitszeit unterwegs war – bei Kunden, auf Messen, beim Shooting. Das hat sich noch nicht normalisiert. Office- statt Haus-Quarantäne.
Einige Mitarbeiter kommen mit der U-Bahn, die inzwischen wieder voll sind wie zuvor. Aber die Schutzvorkehrungen mit Masken werden weiter streng befolgt. In China denkt keiner, dass er oder sie immun ist gegen das Virus. Daher waren viele froh, wenn sie so lange wie möglich im Homeoffice bleiben konnten und sich keinem Risiko aussetzen mussten.
Noch immer Masken im Büro
Am Eingang zu unserem Bürogebäude tragen wir uns erst seit ungefähr zwei Wochen nicht mehr in eine Liste ein, auch die aktuelle Körpertemperatur interessiert nun niemand mehr. Im Büro tragen wir aber immer noch Masken und jede Person wäscht zuerst die Hände oder nutzt Desinfektionsmittel, die überall stehen. In vielen Aufzügen sind Schutzfolien auf den Tasten oder es liegen Zahnstocher bereit, mit denen man die Stockwerke antippen kann.
In den öffentlichen Verkehrsmitteln ist es nicht mehr möglich, den Mindestabstand einzuhalten. Das wird nur noch auf den Rolltreppen und in Warteschlangen praktiziert. Taxi ist für viele Beschäftigte keine Alternative, weil sie auf Dauer zu teuer sind. Fahrrad ist auch weniger genutzt als in Deutschland, zum einen, weil es wenige Radwege gibt, vor allem aber, weil die Entfernungen zu groß sind. Viele Mitarbeiter haben täglich einen Weg von einer Stunde und mehr, weil die Mieten im Zentrum zu hoch sind.
Keine virtuelle Alternative zu Messen
Der Kundenkontakt findet bis heute hauptsächlich über WeChat statt. Ich habe zwei Neukunden. Normalerweise trifft man sich in China sehr viel face-to-face, gerade zu Beginn einer Beziehung. Das fehlt völlig. Auch die so wichtigen Community Treffen der AHK (Auslandshandelskammer China), im German Center oder beim VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau) – die Netzwerktreffen und Workshops fallen weiterhin aus. Es gibt nur hier und da kleine Treffen eher im privaten Raum.
Zum Glück haben wir keinen Kunden verloren in der Zeit. Es gab Stornos, weil zum Beispiel die große Maschinenbaumesse CCMT in Shanghai ausgefallen ist. Auch weitere Großveranstaltungen sind aktuell bis Ende August abgesagt. Geplante Mediengespräche auf der Messe fallen weg. Virtuelle Alternativen zu Messen gibt es kaum. Konferenzen oder Workshops finden teilweise virtuell statt, Zoom ist eine häufig gewählte Plattform auch in China.
Bis heute liegen auch unsere Videoaufträge auf Eis. Generell gilt, dass für „nice to haves“ nicht die Zeit ist. Noch immer sind Unternehmen damit beschäftigt, die Folgen der Krise zu lindern und den Weg zur „neuen Normalität“ zu organisieren, wie es in Deutschland heißt.
In unserer nächsten Folge schauen wir uns an, was sich im Gesundheitsbereich tut. Bleibt gesund.
Stefan Justl verantwortet als General Manager das Geschäft von Storymaker in China. Die Kommunikationsagentur sitzt in Tübingen, München, Berlin, Beijing und Shanghai. Direkt vom Shanghai-Homeoffice aus berichtet er nun zweimal pro Woche auf wuv.de über die Auswirkungen von Corona in China, den Umgang mit der Krise und wie es dort jetzt weitergeht. Den Pilot der Miniserie "Arbeiten in Shanghai: 45 Tage Corona-Schockstarre" lesen Sie hier. Hier geht's zu den Beiträgen über Einkaufen, die Gesundheits-App , Schutzmasken Homeschooling, hilfreiche Apps, saubere Luft, Teleshopping, deutsche Unternehmen in China und Humor.