Poppema ist froh, endlich eine gute Lösung für Grey gefunden zu haben. Die Agentur war, seit der CEO vor ein paar Monaten seinen Abgang verkündete hatte, wie gelähmt. Die neue Führungsmannschaft ist jung und motiviert, sie wollen die Zukunft gestalten.

Und da ist, ehrlich gesagt, einiges zu tun. Grey hat zu kämpfen. Die gute Bilanz im W&V-Kreativranking - Platz 10 war es dieses Jahr - kann darüber nicht hinwegtäuschen. Die Neuen machen sich da auch überhaupt keine Illusionen. C&A hat die Agentur 2017 verloren und damit 4 Mio. Euro Honorar. War die Lage 2017 noch stabil – Grey musste Lenor (2 Mio. Euro Agenturhonorar) an London abgeben, die Folge: Nullwachstum – sinkt der Umsatz dieses Jahr.

Zurück zum Erfolg mit kreativen Geschäftsideen

"Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Marge", sagt Poppema. Die jüngsten Etatgewinne (u.a. GLS Bank, Zeiss, Wüstenrot, Huawei) konnten den Verlust nicht kompensieren, sämtliche Ziele (plus fünf Prozent Umsatzwachstum, hohe einstellige Marge) wurden verfehlt. Zum Vergleich: Im Jahr 2017 machte Grey einen Umsatz von 33,5 Millionen. Euro, das war damals ein Plus von 0,6 Prozent; die Marge lag bei knapp unter zehn Prozent.

Nach wie vor gilt: Die Klassik steht unter Druck, das Wachstum tragen vor allem die Spezialunits der Gruppe wie KW 43 (Branddesign), Grey Adventures (Digital Consulting mit Kunden wie Eon, DHL), Grey Shopper und Grey Media. Auch Mitarbeiter musste die Agentur entlassen. Offiziell arbeiten noch 290 Menschen am Platz der Ideen in Düsseldorf (2017: 335); Insider gehen davon aus, dass es deutlich weniger sind.

Was nun? Die Lösung ist die bereits angekündigte Neuausrichtung, die Grey, die Werbeagentur für strategische und kreative Markenführung, auch zu einer Art Creative Company für Brand Experience machen und so zurück ins Relevant Set von Kunden und Talenten bringen soll. Um die Handlungsfelder zu erweitern. "Unsere Kreativität nutzen wir in Zukunft nicht ausschließlich dafür, Kommunikations- und Marketingprobleme zu lösen, sondern Business- und echte Verbraucherprobleme", sagt Bieber.

Greys Arbeiten sollen für den COO vor allem eins sein: "Famously Effective". So lautet das Agenturmotto. Auf der Grundlage von Consumer Insights könnte Grey also demnächst ganze Geschäftsmodelle entwickeln, erweitern oder zumindest konsistente Markenerlebnisse entlang der Customer Journey schaffen.

Das Mittel der Wahl: Silofreie Kollaboration

Die Basis dafür bildet "Borderless". Das ist das Zukunftsprogramm, dass sich Grey global verordnet hat und das ein bisschen Ogilvys "Next Chapter" ähnelt. Beide Networks gehören zur WPP-Holding.

Ganz so konsequent wie Ogilvy geht Grey zwar nicht vor, so bleiben sämtliche GmbHs erhalten, doch die Idee dahinter ist dieselbe: silofreies Arbeiten, Kollaboration über alle Grenzen hinweg, um die Probleme des Kunden schnell und in Echtzeit zu lösen. Was die Agentur selbst nicht leisten kann, decken Partner aus der Agenturgruppe, aber auch externe Firmen ab, etwa Tech-Spezialisten. Und mit den Kunden will man ganz eng kooperieren. So der Plan.

Bieber, Florio und Kirner sind zuversichtlich, dass der Markt die Neuigkeiten gut aufnehmen wird. Sie sind gewillt, neuen Schwung in die Agentur zu bringen, nicht als Bosse, sondern inspirierende Leader, wie sie sagen, Kollaboration vorlebend, aber auch kritischer: Sie wollen alles stärker hinterfragen. "Es braucht neue Impulse", sagt Poppema. "Die haben mehr Kraft als ich allein."

Schon jetzt sei das Feedback positiv. Auch die Mitarbeiter zögen mit, obwohl kein Wandel über Nacht kommt. Schon 2019 wollen sie mit einer erneuerten Grey am Markt stehen – anerkannt bei den Kunden, gefragt bei Talenten als kreativste Networkagentur in Deutschland.

Einfach wird das nicht, aber es ist ein Neuanfang.


Conrad Breyer, W&V
Autor: Conrad Breyer

Er kam über Umwege zur W&V. Als Allrounder sollte er nach seinem Volontoriat bei Media & Marketing einst beim Kontakter als Reporter einfach nur aushelfen, blieb dann aber und machte seinen Weg im Verlag. Conrad interessiert sich für alles, was Werber- und Marketer:innen unter den Nägeln brennt. Seine Schwerpunktthemen sind UX, Kreation, Agenturstrategie. Privat engagiert er sich für LGBTQI*-Rechte, insbesondere in der Ukraine.