Kommentar:
Algorithmen produzieren wertlose Bits & Bytes
Eine disruptive Leistung kann nur der Mensch vollbringen. Er ist der finale Entscheider im Kreativprozess, nicht künstliche Intelligenzen, meint Designaffairs-Geschäftsführer Michael Lanz.
"Machen Algorithmen Designer bald überflüssig?", hat W&V provokativ gefragt. Als Designer frage ich zurück: Glauben Sie, dass Algorithmen auf die individuellen Bedürfnisse der Nutzer zugeschnittene, holistische User Experiences oder wirkliche Innovationen entwickeln können?
Algorithmen sind Tools – nicht mehr, nicht weniger
Aus unserer Perspektive als Designer geht es nicht darum, ob wir in Zukunft durch Creative Data oder Data Mining ersetzt werden. Vielmehr stellen wir uns die Frage, wie wir mit Hilfe digitaler Tools und Prozesse in unserer Arbeit besser und effizienter werden können.
Als Grundlage für den kreativen Prozess verwenden wir beispielsweise Crowd Listening und Data Mining zum Aufbau einer Informations- und Wissensbasis: Was kommt im Markt an? Was will der Nutzer? Welche Chancen gibt es für unsere Kunden? Auf Basis dieser gewonnenen Informationen können Algorithmen helfen, eine große Anzahl an Konzeptvarianten zu generieren. Nur: Wer entscheidet dann tatsächlich, was dem Kunden gefällt und wirklich geeignet ist? Ein über Bits & Bytes produziertes Kleidungsstück ist sinn- und wertlos, wenn es sich nicht verkaufen lässt.
Designen ist ein kreativer Akt – und human-centered
Diesen iterativen Kreativprozess des Auswählens, Verwerfens, Wiederaufgreifens und schließlich Entscheidens können Algorithmen heutzutage und auch in absehbarer Zukunft nicht leisten. Neues entsteht zwar nicht im luftleeren Raum, sondern durch eine intelligente Verknüpfung von Dingen beziehungsweise Informationen, die bereits in irgendeiner Form vorhanden sind. Aber ein neues, innovatives Design zu schaffen, ist ein kreativer Akt, den man nicht – oder zumindest in absehbarer Zeit noch nicht – an eine Maschine delegieren kann.
Ein neues Design zu schaffen, ist ein kreativer Akt, den man zumindest in absehbarer Zeit nicht an eine Maschine delegieren kann.
Es ist wie mit der Musik: Natürlich kann ein Computer per Algorithmen Tonabfolgen erzeugen oder sogar durch die Analyse der Hits der letzten Zeit ein ähnliches Musikstück komponieren. Doch was dabei herauskommt, ist im besten Fall eine Variante von bereits hinlänglich Bekanntem. Etwas noch nie da Gewesenes, eine wirklich innovative oder gar disruptive Leistung, kann nur der Mensch mit seiner gesamten, logischen und emotionalen Intelligenz vollbringen. In diesem Sinne wird der Designer sicher einer der letzten durch künstliche Intelligenz ersetzbaren Berufe sein, denn er ist der finale Entscheider im gesamten Kreativ-Prozess.
Transformation der Berufsbilder: Wie viel „Wall-E“ wollen wir?
In dem Computeranimationsfilm "Wall-E – Der Letzte räumt die Erde auf", wird der Mensch als konsumabhängiges, von Robotern automatisiert bedientes, aber absolut antriebs- und arbeitsloses Wesen skizziert. Auch wenn das in meinen Augen (noch) eine Dystopie ist, sollten wir bereits heute fragen: Inwieweit wollen wir unser Denken immer mehr Algorithmen oder einer künstlichen Intelligenz überlassen und was wollen wir weiterhin lieber selbst machen? Hierauf müssen Designer – aber auch die Gesellschaft als Ganzes – eine Antwort geben, wenn wir uns nicht "überflüssig" machen wollen.