Gastbeitrag:
Wie der Handel Amazon die Stirn bieten kann
Statt unsicher in eine Zukunft zu blicken, in der Amazon seine Dominanz ausbaut, muss der Handel reagieren. Wie, das weiß Tjeerd Brenninkmeijer von Plattformanbieter Bloomreach.
Der Online-Handelsriese Amazon dominiert - auch in Deutschland - bereits einige Branchen. Und macht die Hälfte der E-Commerce-Umsätze. Das zeigte jüngst der "Amazon Watch Report" (W&V Online berichtete). Noch kann der Handel darauf aber reagieren und den "Amazon-Effekt überwinden" - dafür plädiert W&V-Gastautor Tjeerd Brenninkmeijer*, Executive Vice President EMEA bei Bloomreach.
Viele Händler blicken angesichts des scheinbar unaufhaltsamen Wachstums von Amazon mit Unbehagen in die Zukunft. Im September hat der Marktwert des Onlinegiganten die Eine-Billion-Dollar-Marke geknackt. Der Handel muss spätestens jetzt darauf reagieren – mit einer optimalen Customer Experience auf allen eigenen Vertriebskanälen.
Dem von Experten prognostizierten Massensterben im Einzelhandel wird nur entgehen, wer seinen Kunden die richtigen Mehrwerte bietet und sie so dazu bewegt, die Amazon-Komfortzone zu verlassen. Um das zu erreichen, müssen Händler ihren eigenen, attraktiven Direct-to-Consumer-Kanal aufbauen. Der entscheidende Vorzug, mit dem Händler ihre Kunden auf die eigenen Kanäle locken können, liegt in einem hervorragenden Einkaufserlebnis.
Technische Grenzen
Das Problem: Klassische E-Commerce-Plattformen wie SAP Hybris verfügen nicht über die technischen Voraussetzungen, um eine optimale Customer Experience zu kreieren. Zum Beispiel erfolgt die Navigation in einem Onlineshop auf dieser Basis im klassischen Gitter-System. Der Besucher klickt auf einer Navigationsleiste mit diversen Kategorien die gewünschte an, landet daraufhin bei zahlreichen Unterkategorien, aus denen er wiederum die richtige auswählen muss, und so weiter. So arbeitet er sich Klick für Klick zu den gesuchten Produkten vor.
Diese Art zu navigieren sind Onlinekunden zwar gewohnt, jedoch ist sie eher lästiges Mittel zum Zweck als Bestandteil einer angenehmen Einkaufserfahrung. Ein System, das alle Unternehmensprozesse abbilden soll, legt den Fokus eindeutig nicht auf das Thema Customer Experience im Omnichannel-Vertrieb. Damit sind solche Plattformen nicht dafür konzipiert, die steigenden Kundenerwartungen zu erfüllen.
Content- und Commerce-Funktionen verbinden
Um hochwertige Einkaufserlebnisse zu schaffen und so die Kundenbindung zu erhöhen, gilt es, abwechslungsreichen Content - etwa Blogbeiträge, Bilder, Videos - in den Onlineshop einzubinden. Zudem müssen die angezeigten Produkte und Inhalte personalisierbar sein, damit der Kunde genau das zu sehen bekommt, wofür er sich am meisten interessiert.
Bei all dem ist Geschwindigkeit ein entscheidender Faktor. Je nach Such- und Klickverhalten eines Kunden im Webshop müssen Anpassungen, zum Beispiel die Reihenfolge der gezeigten Produkte, sofort umsetzbar sein. Sofort heißt: während des laufenden Kundenbesuchs.
Eine solche Verquickung von Content-Management und E-Commerce leistet keine herkömmliche E-Commerce-Plattform. Dennoch müssen Unternehmen nicht all ihre bereits vorhandenen Systeme vollständig über Bord werfen. Eine Digital-Experience-Plattform (DXP) vereint ein leistungsfähiges Web-Content-Management (WCM) mit klassischen E-Commerce-Funktionen und ist in die bestehende Systemlandschaft integrierbar.
Einer der wichtigsten Vorteile einer DXP besteht gerade darin, die zahlreichen Einzelsysteme, die im E-Commerce zum Einsatz kommen (etwa Produktinformations-, Digital-Asset- und Customer-Relationship-Management/PIM, DAM, CRM), in einer übergeordneten Plattform zu bündeln. Die DXP führt die Informationen zusammen und liefert sie einheitlich an alle digitalen und analogen Kanäle aus. Davon profitieren insbesondere internationale Unternehmen mit Länderwebsites in unterschiedlichen Sprachen.
Personalisierte Einkaufserlebnisse
Für eine optimale Customer Experience gilt es, Inhalte konsistent auf allen Kanälen verfügbar zu machen sowie den Kunden größtmöglichen Komfort beim Onlineeinkauf zu bieten. Neuartige, intelligente Technologien ermöglichen es, die Webshop-Inhalte zu personalisieren.
Eine DXP bietet etwa eine personalisierte Suchfunktion, die mittels semantischer Suche die Bedeutung von Wörtern und deren Verknüpfung ermittelt. So erhält ein Kunde zum Beispiel passende Ergebnisse auf die Frage: "Welche Schuhe passen zu dieser Hose?"
Neben der Semantik der Sucheingabe berücksichtigt ein solches Tool auch das Nutzerverhalten, indem sich die Suchergebnisse daran orientieren, was der Kunde zuvor angeschaut hat. Im Vergleich zur oben beschriebenen Produktsuche per Navigation ist diese Art zu suchen deutlich schneller und bequemer, kurz: die Customer Experience ist besser. Und genau darauf kommt es an.
*) Tjeerd Brenninkmeijer ist Executive Vice President EMEA bei Bloomreach, einem Digital-Experience-Plattform-Anbieter (DXP). Er überwacht neben der Wachstumsstrategie die strategischen Allianzen sowie das operative Geschäft in der EMEA-Region. Vor der Übernahme durch Bloomreach war er Mitgründer von Hippo und verantwortete dort 17 Jahre die Marketingstrategie. Als 'Thought Leader' im DXP-Bereich ist Tjeerd Brenninkmeijer häufig in Branchenpublikationen und auf Branchenevents vertreten. Seinen Master erwarb er im Fach Betriebswirtschaftslehre an der Universität von Amsterdam.