Gleichheit und Vielfalt waren ein großes Thema: Wir sahen verschiedene Kulturen, Generationen, Religionen, körperliche Voraussetzungen - die doch alle dieselben Rechte haben (auf gutes Mobilnetz zum Beispiel, propagierte T-Mobile USA, auf Rabatte wie bei Groupon, große Trucks von Ram und endlose Straßen/Jeep), dieselben Hobbys und Chancen (Toyota mit zwei verschiedenen Clips), dieselben Limo-Vorlieben Coca-Cola und Pepsi) und - ohne ausreichend Rente - sogar dieselben Jobs (E-Trade). Schaut mal, ihr alle seid toll und wichtig - so lässt sich der Clip von Kraft (Leo Burnett) beschreiben, der die Vielfalt von Familien abbildet, indem er die normalen Leute zum Mitmachen aufrief.

Notfall- und Katastrophenhilfe sowie soziales Engagement waren ebenfalls gut vertreten, etwa bei Stella Artois, Budweiser und Verizon.

System 1 Research (ehemals Brainjuicer) hat übrigens alle 86 Super-Bowl-Spots während des Spiels nach Emotionalität bewerten lassen. Abgesehen von NBC-Trailern für die Olympischen Spiele und einem NFL-Clip erzielte Toyotas "Good Odds" (Saatchi & Saatchi) hier die besten Werte unter den klassischen Spots.

So offen politisch die Super-Bowl-Spots 2017 waren - direkt nach dem Amtsantritt von Donald Trump -, so schlicht ans Gute appellierend kamen einige davon in diesem Jahr daher. Darunter leidet aber teilweise die Glaubwürdigkeit.

In Deutschland haben wir keinen Donald Trump - und offenbar doch bald wieder eine regierende große Koalition. Aber das Auseinanderdriften der Gesellschaft, deren Symptom Trump ist, beobachten wir auch hier.

Nostalgie in modernen Zeiten

Folgerichtig sehnen sich offenbar Kreative und ein Teil ihrer Kunden zurück nach der guten alten Zeit. Ein Indiz dafür sind jedenfalls die Spots, die in der Vergangenheit schwelgen (wie das ganz offen Kia tut), sowie jene, die reichlich zitieren. So wie Pepsi aus der eigenen Werbegeschichte, Tide gleich aus der kompletten Super-Bowl-Werbung. Eine Hommage auch die Doritos-vs-Mountain-Dew-Aktion von PepsiCo, würdigt sie doch die Raps von Busta Rhymes und Chris Brown (2011) und Missy Elliot (2001).

Jeep erinnerte an die guten Zeiten Jeff Goldblums in Jurassic Park. Die Giants-Spieler Eli Manning und Odell Beckham jr. tanzten für die NFL den 1987er-Kinohit Dirty Dancing nach. Es gab sogar ein Beinah-Widersehen mit dem 80er-Jahre-Helden "Crocodile Dundee". Und Dodge Ram bemühte gar Martin Luther King - was bei vielen Zuschauern nicht gut ankam (zu Werbezwecken den Bürgerrechtler einzuspannen fanden einige Menschen respektlos).

Dabei soll Nostalgie doch ein gutes Gefühl vermitteln. Außerdem hat sie für Werber den Vorteil: Das hat schon mal funktioniert, da kann man nichts falsch machen. Bei einigen der angeführten Spots hat das gut geklappt.

Sehnsucht nach "früher war alles besser", das kennen wir auch hierzulande. Vertrautes gibt Sicherheit, das suchen viele Menschen in schnellebigen Zeiten - vor allem, wenn sie sich überfordert fühlen.

Humor geht immer

Im Super-Bowl-Werbeblock spielte Humor stets eine große Rolle - das Football-Finale ist ein Familienereignis, das auf dem Spiefeld und drumherum unterhalten soll. Wer seine potenziellen Kunden zum Lachen bringt, hat ja schon halb gewonnen. Uns ist aber aufgefallen: 2018 war mehr zum Schmunzeln denn zum Lachen.

Unseren Humor getroffen haben aber unter anderem diese Clips:

Agentur: Saatchi & Saatchi. Sehr schlau hat Tide praktisch alle Werbespots infiltriert. Die Leser des Fachmagazins Adage kürten die Spots zur effektivsten Super-Bowl-Kampagne. (Anmerkung: Old Spice gehört ebenso wie Tide zu Procter & Gamble, weshalb diese Hommage besonders präzise und sogar unter Mitwirkung von Isaiah Mustafa gelang. Gleiches gilt für den Tide-Nachdreh des Meister-Proper-Spots aus dem 2017er-Super-Bowl.)

Auf die Liste der lustigen Spots gehören außerdem die meisten der Clips, die wir Ihnen bereits als "Best of" präsentiert haben. Allen voran Amazons Alexa-Spot von Lucky General. Der im Publikums-Ranking von USA Today nach Punkten auch zum besten Super-Bowl-Spot 2018 gewählt wurde.  Knapp vor dem NFL-Ballett der New York Giants (Agentur: Grey). Beides bestätigten die Fachleser von Adage.

Lustig und sehr clever: Die Tourismuswerbung für Australien, entwickelt von Droga 5. Außerhalb der Werbebranche kam der Spot mit der Anmutung eines Kinotrailers für den Film "Dundee" anscheinend als solcher durch. Was auch daran liegt, dass Tourism Australia das Netz seit Wochen mit Trailer-Clips belieferte, die den Filmklassiker "Crocodile Dundee" fortspannen und eine enorme Promi-Riege aufboten. Die offizielle Auflösung kam am Super-Bowl-Abend.

Tatsächlich ist ein vermeintlicher Filmdreh - gerade von "Crocodile Dundee" - eine an sich einfache Methode, die Vorzüge eine Landes, die Klischees und die dortigen Filmstars und Sehenswürdigkeiten gekonnt zu mischen. Allerdings eine kostspielige: Einige Kinomagazine munkelten, für das Geld, das die Super-Bowl-Teaser und 60 Sekunden im Werbeblock gekostet hätten, wäre eine "Dundee"-Verfilmung locker dringewesen.

Der "Dundee"-Clip erzielte am Ende nach einer Auswertung von Visible Measures übrigens auch die meisten Online-Abrufe (58 Millionen) und verwies damit Amazon (53 Mio.) und Doritos vs. Mountain Dew (51 Mio.) auf die Plätze.

Da es mit dem Humor im deutschen Werbeblock so eine Sache ist, gehen wir zunächst einmal davon aus, dass die beim Super Bowl gefühlt gedämpfte Lustigkeit es nicht bis zu uns schafft.

Was ist mit Frauen?

In den USA verschaffen sich die Frauen gerade mächtig Gehör. #MeToo ist nach wie vor präsent in Amerika und erfasst mittlerweile auch die Werbebranche. Darum hatten wir tatsächlich damit gerechnet, dass sich das irgendwie als Thema im Werbeblock des Super Bowl wiederfindet. Denn nein, das schauen nicht nur Männer. Das Football-Finale ist ein Familienspektakel, 49 Prozent der Zuschauer 2017 in den USA waren Frauen.

Fehlanzeige. Die meisten mitwirkenden Promis waren Männer. (Wenn man die Multi-Promi-Clips von Amazon und Tourism Australia ausklammert, bleibt tatsächlich nur noch Tiffany Haddish übrig. Und mit viel Liebe der Kurzauftritt von Cindy Crawford bei Pepsi.) Die - großartigen - Stars Morgan Freeman, Peter Dinklage, Chris Pratt, Jeff Goldblum, Danny DeVito, David Harbour, Chri Eliott, Matt Damon, Keanu Reeves hatten viel beachtete Auftritte. Gleichberechtigung von Männern und Frauen war gar kein Thema - im Gegensatz zu 2017, wo sich immerhin Audi aus dem Fenster lehnte.

MeToo fand tatsächlich in der Form statt, das man vieles in diesem Jahr nicht gesehen hat: Keine sexy Spots, in denen Frauen leicht bekleidet Burger essen, Nerds küssen oder dekorativ im Hintergrund posieren.

Ein behutsamerer Umgang mit der Rolle von Frauen in der Werbung wird früher oder später bei uns ebenfalls deutlich. Anfänge sind ja schon gemacht.

Zuschauerfolg bei ProSieben

Noch ein Blick auf den deutschen Markt: ProSiebenSat.1 hat einen guten Riecher bewiesen damit, die Übertragung des Super Bowl zu ProSieben zu holen. 1,5 Millionen Zuschauer (bis 3 Uhr) waren dabei, als die Philadelphia Eagles den Favoriten New England Patriots mit 41:33 besiegten. Noch nie konnten die Eagles zuvor den Titel gewinnen - und noch nie waren so viele in Deutschland vor dem Fernseher dabei, wenn es um den Super Bowl ging. 36,8 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-jährigen Zuschauern verbuchte ProSieben damit. Ab 3 Uhr blieben noch 1,31 Millionen Sportfans für die letzten Minuten des dritten Quarters dran (51 Prozent Werberelevante), das vierte Viertel sahen 1,29 Millionen (14-49 Jahre: 51,7 Prozent).

Festzuhalten ist: Die Beliebtheit des American Football bei uns nimmt zu, die Werber haben darauf sogar inhaltlich reagiert (ja, auf anderem Niveau als in den USA, Reichweite und Budgets stehen aber auch in einem krassen Missverhältnis). In den USA dagegen schauten so wenige Menschen zu wie seit 2009 nicht. Mit 103,40 Millionen US-Fernsehzuschauern und 2,02 Millionen Menschen per Livestream (Nielsen) wurde die Marke aus dem Vorjahr (111,32 Millionen) deutlich verfehlt.


Autor: Susanne Herrmann

schreibt als freie Autorin für W&V. Die Lieblingsthemen von @DieRedakteurin reichen von abenteuerlustigen Gründern über Medien und Super Bowl bis Streaming. Marketinggeschichten und außergewöhnliche Werbekampagnen dürfen aber nicht zu kurz kommen.