
Deutscher Kinderschutzbund:
DKSB: Eine Kampagne, die hinter ihrem Potenzial zurückbleibt
Psychische Gewalt an Kindern: Ein emotionales Feld, eine Kampagne, die leider überhaupt nicht emotionalisiert und einfach nicht zu Ende gedacht wurde. Das ist schade, gerade bei so einem wichtigen Thema.

Foto: Deutscher Kinderschutzbund
"Muss ich dir alles dreimal sagen?" "Wenn du nicht aufisst, ist die Oma traurig." "Jetzt stell dich nicht so an!" Sätze, die vielen bekannt vorkommen und heute noch tagtäglich in vielen Familien fallen. Doch auch wenn man sie oft als harmlos oder mal so nebenher gesagt einstuft, können sie bei Kindern dennoch großen Schaden anrichten. Um darauf aufmerksam zu machen, stellte Bundesministerin Lisa Paus gemeinsam mit dem Deutschen Kinderschutzbund anlässlich des Weltkindertages am 20. September die Kampagne "Gewalt ist mehr, als Du denkst" vor. Statt physischer Gewalt sollte das Thema psychische Gewalt, welche oft subtiler ist, thematisiert werden. Denn laut Kinderschutzbund sei diese auch in Deutschland weit verbreitet und geht sehr oft mit anderen Formen der Gewalt gegen Kinder einher.
Die Kampagne wurde von der Bonner Agentur Kreativ Konzept entwickelt und umfasst drei Plakatmotive, Informationen auf der Seite des Vereins sowie ein Interview mit DKSB-Vizepräsidentin Sabine Andresen. "Über emotionale Gewalt wird selten gesprochen. Oft wird sie nicht einmal wahrgenommen. Es ist höchste Zeit, dass dieses Thema deutlich mehr Aufmerksamkeit erfährt", sagt Nicole Hölscher, Geschäftsführerin der Agentur Kreativ Konzept. "Wir sind froh, dass wir dazu beitragen können, dass sich das ändert. Dass unsere Motive jetzt in ganz Deutschland dazu beitragen, macht uns stolz."
Die Motive, die im Internet zu sehen sind, zeigen Illustrationen von Kindern, die emotionaler Gewalt ausgesetzt sind, unter anderem durch verletzende Worte. Die Plakate selbst hingegen kommen ohne viele Worte aus. Ein Motiv zeigt, dass Kinder auch unter Gewalt in Partnerschaften leiden, ohne selbst geschlagen zu werden. Die Botschaft hinter der Kampagne: Nicht wegschauen, sondern Hinsehen. In einem mehrwöchigen Prozess hatte das Agenturteam um Creative Director Armin Korf an den Motiven gefeilt. "Diese Kampagne ist eine Herzensangelegenheit für uns", so Korf. "Bei einer so sensiblen Angelegenheit muss alles stimmen."
Modernes Campaigning geht anders - auch und erst recht im gemeinnützigen Bereich
Leider bleibt die Kampagne aber gerade bei einem so wichtigen Thema weit hinter ihrem Potenzial zurück. Der Ansatz, entwürdigende Sätze zu thematisieren, ist gut, doch die Motive emotionalisieren kaum. Durch die Gestaltung im Comic-Stil sind sie außerdem abstrakt gehalten. Das schafft Distanz zum Thema. Die Kampagnenwebseite enthält fast nur Text, das Aufklärungsvideo ist mit über fünf Minuten weit zu lang für die Aufmerksamkeitsspanne der heutigen Internetgeneration und auch nicht wirklich spannend gestaltet. Hinzu kommt wenig mediale Reichweite bei gerade einmal 230 Abonnent:innen, die der Deutsche Kinderschutzbund auf Youtube zählt. Auf Social Media soll der Hashtag #GewaltHatVieleGesichter Verbreitung finden, eine Woche nach Kampagnenstart zählt er auf Instagram aber gerade mal 74 Beiträge - und die meisten davon stammen von den lokalen Niederlassungen des Vereins. Außerdem passt der Hashtag nicht zum Claim auf den Plakaten "Gewalt ist mehr, als du denkst". Das ist alles sehr schade und zeigt, dass die Aktion nicht zu Ende gedacht wurde - oder eben doch nicht so sehr Herzensangelegenheit war.
Wie es anders, um nicht zu sagen besser, geht, zeigt der Deutsche Kinderverein mit einer Kampagne, die ebenfalls anlässlich des Weltkindertages publiziert wurde: Sprüche und Motive, die schockieren und so Aufmerksamkeit generieren. Unterstützung zahlreicher Partner wie Unternehmen, Agenturen und Prominenter auf Social Media - inklusive eines bedrückend dreinblickenden Jürgen Vogel. Dazu eine Spendenaktion durch den Verkauf von T-Shirts - also die Zielgruppe zur Aktion bewegt, statt sie passiv aufzuklären.
Harmlose Sätze, die ein Leben lang entwürdigen
Entwürdigende Maßnahmen schaffen übrigens keinerlei Einsicht bei Kindern, sondern demonstrieren, wer der Stärkere ist, schreibt der DKSB auf der Kampagnenseite. Die Kinder werden verängstigt, verschreckt, beschämt und eingeschüchtert und dies kann zu schwerwiegenden Folgen in der Entwicklung der Kinder führen, genauso als wären sie misshandelt oder sexuell missbraucht worden. Viele Kinder leiden bis ins Erwachsenenalter unter psychischen Belastungen und Beziehungsstörungen. So hat das Universitätsklinikum Ulm in seiner Studie zum elterlichen Erziehungsverhalten aufgezeigt, dass Kinder, die von psychischer Gewalt betroffen waren, häufig Angststörungen oder psychosomatische Störungen ausbilden.
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