"Wir stellen sehr erfreut fest, dass offenbar auch die kleineren, oftmals werblich weniger professionell betreuten Betriebe die Zeichen der Zeit erkannt haben, sensibler agieren und damit sexistische Fehltritte zunehmend vermeiden. Aufmerksamkeit um jeden Preis und damit meist auf Kosten der Würde der Frau ist out und letztlich werblich kontraproduktiv. Die Leitplanken des Werberats sind klar definiert und akzeptiert, die aktuell rückläufigen Daten zeigen dies. Eine schöne Bestätigung der jahrelangen kontinuierlichen Arbeit des Deutschen Werberats", sagt der neue Vorsitzende des Werberats, Thomas Hinderer. 

Diskriminierung von Personengruppen in der Werbung hat zugenommen

Kann man so interpretieren, dennoch gibt es noch viel zu tun. Denn geschlechterdiskriminierende Werbung - hierzu gehört auch sexistische Werbung - zog wie in der Vergangenheit die meiste Kritik auf sich. Allerdings nahmen die Beschwerdefälle um 20 Prozent von 142 im Vorjahr auf 114 ab. Zum einen sei der Werbedruck in den ersten sechs Monaten 2022 weniger hoch als im Vorjahr, zum anderen seien auch diejenigen Unternehmen, deren Werbung "hausgemacht" und nicht professionell aufgesetzt wurde, 2022 weniger auffällig bei diesem Beschwerdegrund geworden. Die Kategorien Ethik und Moral (minus sieben Prozent) sowie Diskriminierung von Personengruppen (plus acht Prozent) tauschten mit leichtem Auf und Ab die Plätze. Sexuell anstößige Werbung verzeichnete wiederum ein deutliches Plus von 120 Prozent. Hier stehen aber eher die Produkte selbst denn die Werbung bei den Beschwerden in der Kritik, so zum Beispiel bei Werbung für Gleitgel.

Digitale Werbung bei Werbemitteln in der Kritikstatistik vorn

Mit 76 Beschwerdefällen lag Werbung auf digitalen Plattformen, die in Deutschland werbestärkste Gattung, auch 2022 vorn, im Vorjahreszeitraum waren es 84. Es folgten TV-Spots mit 38 Fällen gleichauf mit Plakatwerbung. Innerhalb der digitalen Werbung zogen mit 33 Fällen die sozialen Netzwerke erneut die meiste Kritik auf sich, vor den unternehmenseigenen Homepages mit 14 Fällen und Display-Werbung mit 12 Fällen.

Handel als werbestärkste Branche im Fokus

Werbung auf Fahrzeugen von Handwerksbetrieben tauchte auch 2021 besonders häufig in den Beschwerden und Rügen auf.

Werbung auf Fahrzeugen von Handwerksbetrieben tauchte auch 2021 besonders häufig in den Beschwerden und Rügen auf.

Wie bereits in den Vorjahren war der Handel, ob stationär oder online, im Fokus der Beschwerden beim Werberat. Diese Branche schaltet traditionell die meiste Werbung in Deutschland. 35 Fälle und damit rund neun Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum wurden vom Werberat bearbeitet, gerügt wurde kein Unternehmen. Die Kfz- und Kfz-Zubehör-Branche wurde in 15 Fällen kritisiert, ebenso wie das Handwerk: Ein Unternehmen der Kfz- und Kfz-Zubehör-Branche erhielt eine Öffentliche Rüge, zwei gingen an das Handwerk. Eine weitere Oöffentliche Rüge erhielt die Lebensmittelbranche: ebenfalls, wie bei den drei übrigen, wegen Sexismus. Die Le- bensmittelbranche verzeichnete einen 63-prozentigen Rückgang, da es 2021 einen künstlichen Peak durch die Beschwerdewelle einer Kampagnenorganisation gegeben hatte.

Die Handwerksbranche liebt Fahrzeugwerbug mit Frauen.

Die Handwerksbranche liebt Fahrzeugwerbug mit Frauen.

Rügen gehen meist an KMUs, deren Werbung nicht professionell begleitet wird

Die insgesamt vier Öffentlichen Rügen der ersten sechs Monate 2022 hatte der Werberat bereits im Mai kommuniziert. Alle Rügen wurden wegen sexistischer Werbung erteilt und gingen an kleinere und mittlere Unternehmen, deren Werbung meist nicht professionell begleitet wird. "Rückhalt in der Wirtschaft gepaart mit dem Vertrauen der Bevölkerung in unser Beschwerdemanagement sind Systemvoraussetzungen für die Arbeit des Werberats. Wir sind sehr erfreut, dass die rückläufigen Daten diesen Erfolg widerspiegeln: Die Unternehmen agieren insgesamt verantwortungsbewusster und die Verbraucher wenden sich an uns, wenn sie Grund für Kritik sehen", sagt Katja Heintschel von Heinegg, Geschäftsführerin des Werberats.

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Autor: Marina Rößer

Marina Rößer hat in München Politische Wissenschaften studiert, bevor sie ihre berufliche Laufbahn in einem Start-up begann und 2019 zu W&V stieß. Derzeit schreibt sie freiberuflich von überall aus der Welt, am liebsten in Asien, und interessiert sich besonders für Themen wie Nachhaltigkeit und Diversity.