PET-Recycling:
Greenwashing? Lidl und Jauch wegen "Kreislaufflaschen" in der Kritik
Seit rund einer Woche bewirbt Lidl eine Plastikflasche als besonders ökologisch und setzt dafür auf einen ernst dreinblickenden Günther Jauch. Noch ernster wird das Thema aber von Umweltorganisationen gesehen. Denn diese werfen dem Discounter nun Lobbyarbeit und Greenwashing vor.
Mit Videos, Anzeigen und der Webseite www.diekreislaufflasche.de will Lidl wichtige Informationen zur Kampagne "Aus Liebe zur Natur" verbreiten. Auch die dahinter steckenden Studien wurden mitgeliefert. Doch diese und die Werbemotive mit Testimonial Günther Jauch sorgen nun für Ärger. "Das ist Greenwashing und klassische Lobbyarbeit", zitiert etwa der Stern Viola Wohlgemuth, Recyclingexpertin bei Greenpeace. "Ich finde es armselig, dass sich Günther Jauch dafür hergibt."
Denn es geht ausgerechnet um eine Plastikflasche. Diese bestehe zu 100 Prozent aus recyceltem PET-Kunststoff (rPET) und habe damit eine sogar eine positive Ökobilanz, zum Teil besser als Mehrwegflaschen, so Lidl und der beliebte Fernsehmoderator. Bescheinigt wurde dies vom Institut für Energie- und Umweltforschung (Ifeu).
Die dazugehörige Kampagne stammt von M&C Saatchi und umfasst neben der eigens eingerichteten Webseite auch Plakataktionen, mobile Anzeigenmotive und Erklärvideos.
Greenpeace: Vorgelegte Zahlen seien nicht übertragbar
Die "Kreislaufflaschen" von Lidl sollen ein nachhaltiges Recycling-System ermöglichen. Dabei werden die Pet-Einwegflaschen gesammelt und zu kleinen Plastikwürfeln gepresst, aus denen am Ende wieder neue Lidl-Flaschen hergestellt werden. Lidl betont, dass gute Einwegsysteme mit Pfand genauso klimaschonend sein können wie gute Mehrwegsysteme, wenn das Material im Kreis geführt wird und neue Flaschen aus alten Flaschen hergestellt werden. Vor allem CO₂-Emissionen durch den Transport würden so eingespart.
Greenpeace nun wirft der Schwarz-Tochter vor, dass die Ergebnisse der Berechnungen politisch motiviert seien, auf teils unrealistische Annahmen beruhen und wichtige Aspekte ausblenden, wie etwa der Abrieb von Mikroplastik. Außerdem hat Wohlgemuth laut Stern Zweifel, dass der Pet-Kreislauf von Lidl wirklich so geschlossen ist, wie behauptet. In jedem Fall seien die Zahlen nicht auf Einweg-Plastikflaschen allgemein übertragbar, da 75 Prozent aller in Europa anfallenden Pet-Flaschen gar nicht zu neuen Pet-Flaschen verarbeitet werden, sondern in andere Stoffströme wie für Textilien und andere Verpackungen abwandern. "Und für die Produktion neuer Pet-Flaschen wird dann wieder neues Öl und Gas eingesetzt", so Wohlgemuth gegenüber dem Stern.
Deutsche Umwelthilfe: Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen
Auch die Deutsche Umwelthilfe wirft dem Discounter Lobbyarbeit vor. Thomas Fischer, Bereichsleiter Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe, bestätigt gegenüber dem SWR zwar, die Einwegflasche von Lidl sei umweltfreundlicher geworden, im Vergleich zur Vergangenheit: "Die Plastikflaschen von Lidl sind tatsächlich leichter geworden und die setzen da auch auf das Material von alten Plastikflaschen." Dadurch entstehe viel weniger CO2. Doch meistens hat eine neue PET-Einwegflasche einen geringeren Anteil an recyceltem Plastik. Der Rest wird neu aus fossilem Erdöl hergestellt - keine klimafreundliche Lösung. Die Recyclingquote von nahezu 100 Prozent funktioniert laut Fischer in dieser Art derzeit nur bei Lidl, "weil Lidl eben seine eigenen Recyclinganlagen hat, um neue Flaschen herzustellen, und eigene Mineralbrunnen für die Abfüllung und dieser Flaschenkreislauf geht nur, wenn das alles aus einer Hand kommt."
Deshalb kritisiert Thomas Fischer in der Sendung vom 20. April, wie die Studie aufgebaut ist: "Es wird ein hochoptimiertes Verpackungssystem für PET-Einwegflaschen, was Lidl aufgebaut hat, [...] mit der Durchschnittsverpackung des gesamten Mehrwegmarktes verglichen. Man vergleicht im Grunde genommen Äpfel mit Birnen."
Konkurrierendes Mehrwegsystem nicht in Lidls Interesse
Auch das Umweltbundesamt betont, dass es bei Mehrweg-Systemen erhebliche Verbesserungspotenziale gibt und dass das Ziel der EU ist, den Mehrweganteil zu erhöhen. Laut eigenen Angaben hat der Discounter jedoch einige Hundert Millionen Euro in ein funktionierendes Recycling-System für Einwegflaschen investiert und daher nun keinerlei Interesse, sich an einem konkurrierenden Mehrwegsystem zu beteiligen. Denn mit dem firmeneigenen Umweltdienstleister Prezero sei die Schwarz-Gruppe selbst ein Player in der Abfallwirtschaft ist, der Milliarden umsetzt, so der SWR.
Thomas Fischer fasst gegenüber dem SWR mit harschen Worten zusammen: "Das ist eher ein Investitionsschutz von Lidl und politisch motiviert. Das Signal an die Politik: Lasst das bitte mit der Mehrwegförderung, weil Einweg ist doch toll."
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