Gerade jüngere Menschen sind oft verunsichert, wenn es im Schritt juckt, wisse nicht, an wen sie sich wenden sollen, trauen sich weder mit den Eltern zu sprechen, noch in eine Arztpraxis oder Apotheke zu gehen. Warum? Weil sie sich schämen. Denn gerade um Vaginalpilz ranken sich nach wie vor viele Mythen, Ängste und vor allem das Stigma, dass es sich dabei um etwas Ekliges handelt, um Ungepflegtheit.

Genau dem nehmen sich Canesten und die Londoner Agentur Analogfolk mit einer weiteren Aufklärungskampagne an. "When no one tells us about our bodies, it's easy to believe everything. Maybe our body isn't right", lauten zwei der Sätze, die das Problem rund um Intimpflege und Vaginalgesundheit auf den Punkt bringen. 

Verbreitung über Tiktok und Instagram: Ob das gut geht?

Die Kampagne "The truth, undressed" tut, was ihr Name sagt: Sie zeigt die nackte Wahrheit. Im Mittelpunkt steht eine Website, auf der unzensierte und nicht sexualisierte Fotos von Vulven, Schamhaaren - pardon Scheidenbehaarung - und Vaginalausfluss zu sehen sind, und die als Informationsquelle rund um das Thema Intimgesundheit dienen soll. Mit der PSHE Association hat die Marke aus dem Hause Bayer außerdem Unterrichtspläne für 11- bis 18-Jährige erstellt, um besser über die Anatomie von Menschen mit Vulva aufzuklären. 

Außerdem kommen in der Öffentlichkeit stehende Personen zu Wort, die ihre Körper und Erfahrungen realistisch beschreiben, um zu beruhigen und zu informieren. Die Arbeit knüpft an die Kampagne "Vagina Academy" aus dem Jahre 2021 an, die in Brasilien veröffentlicht wurde. "Intensivão da PPK" war die weltweit erste digitale Schule für Intimgesundheit, wurde auf Tiktok mehr als 43 Millionen Mal angesehen und erzielte für den Account mehr als 200.000 neue Abonnent:innen.

Auch diesmal werden die dazugehörigen Aufklärungsvideos auf Tiktok und Instagram veröffentlicht. Die Filme machen sich über gängige Symbole für Vagina, Vulva und Intimbehaarung lustig, wie zum Beispiel Orangen, Orchideen und Kakteen. Die Message: Diese verniedlichenden Symbole verschleiern die Realität und helfen nicht gerade, die natürliche Anatomie besser zu verstehen. Ob das auf den sozialen Medien gut geht, wird sich zeigen.

Gerade Instagram ist bekannt dafür, so genannte explizite Inhalte zu löschen, auch wenn sie der Aufklärung dienen. Dafür müssen nicht einmal immer nackte Tatsachen zu sehen sein, die Stilisierung reicht oft aus. Zudem ist das Vereinigte Königreich auch außerhalb von Social Media noch etwas zimperlich beziehungsweise nicht so offen für progressive Ansätze. Erst kürzlich entschied der britische Werberat im Mai 2021, dass eine Adidas-Kampagne, die die Vielfalt natürlicher Brüste zeigte, nicht für Kinderaugen geeignet sei.

Über die Hälfte schämt sich sogar, zum Arzt zu gehen

Die Kampagne bezieht sich auf eine Erhebung, der zufolge nur etwa sechs Prozent der britischen Frauen zwischen 18 und 24 Jahren im Rahmen der Schul- und Universitätsausbildung etwas über die Gesundheit im Intimbereich erfahren haben und 60 Prozent erst dann über vaginale Infektionen informiert wurden, als sie zum ersten Mal davon betroffen waren. Die Studie zeigt auch, dass 46 Prozent der Frauen im Vereinigten Königreich über das Aussehen ihrer Vulva besorgt sind, 67 Prozent würden etwas daran ändern, wenn sie könnten, und 55 Prozent vermeiden es, einen Arzt aufzusuchen, weil es ihnen peinlich ist, das Thema anzusprechen oder ihre Vulva zu zeigen.

"Die weibliche Anatomie ist in eine sexualisierte Gesellschaftskultur gekleidet und wird standardmäßig als explizit definiert", sagt Daria Costantini, Brand Lead für Canesten, Bayer Consumer Health UK. "Wir leben in einer Welt, in der Pornos im Internet leicht zugänglich sind, und dennoch wissen viele junge Menschen nicht das Geringste darüber, welche Arten von Infektionen es gibt oder wie die Vulva überhaupt aussehen sollte. Wir hoffen, dass wir mit diesem Programm den Anstoß schaffen, Bilder von echten Vulven aus der sexualisierten Ecke zu holen und in einen informativen, aufklärenden Rahmen zu bewegen, um junge Menschen mit den Informationen versorgen, die sie brauchen, um ihren Körper besser zu verstehen und Gespräche über ihn zu normalisieren." Weitere Verantwortliche für die Kampagne waren bei Analogfolk die Creative Directors Sara Pouri und Amandine Fabian, produziert wurden die Filme von Untold Fable.

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Copyright: privat
Autor: Marina Rößer

Marina Rößer hat in München Politische Wissenschaften studiert, bevor sie ihre berufliche Laufbahn in einem Start-up begann und 2019 zu W&V stieß. Derzeit schreibt sie freiberuflich von überall aus der Welt, am liebsten in Asien, und interessiert sich besonders für Themen wie Nachhaltigkeit und Diversity.